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Die Seelenkriegerin - 3

Die Seelenkriegerin - 3

Titel: Die Seelenkriegerin - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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Preis zu schützen? Auch wenn dafür die anderen im Turm hätten sterben müssen? Die Frage verfolgt sie unablässig seit jenem schrecklichen Tag.
    Wie barmherzig waren die Götter, die ihr diese Entscheidung abgenommen hatten.
    Immer noch zitternd lässt sie sich auf dem Thron nieder und legt die Arme auf die reich geschnitzten Lehnen. Ihre Finger schließen sich wie von selbst um die Enden, schmiegen sich zwischen die polierten Klauen, streifen mit den Spitzen die Kristalle darunter. Ein wenig eingetrocknetes Blut blättert ab und fällt zu Boden.
    Zeigt mir den Weg , fleht sie zu ihren Göttern. Zeigt mir, wozu ich hier bin.
    Und die Götter antworten.
    Diesmal ist sie auf die Wirkung des Thrones gefasst, doch die rohe Macht durchströmt sie mit einer Wildheit, die ihr den Atem raubt. Glühende Ekstase, Schmerz, Angst, Verzweiflung und Sehnsucht: ein reißender Strom lebendiger Energien. Er bricht aus ihr heraus und erfasst auch alle anderen Lyr , verbindet sie mit ihnen, verbindet sie alle miteinander, nicht nur auf einer persönlichen Ebene, sondern durch alle vorhandenen sozialen Gefüge. Mann und Frau, Familie und Familie, Geschlecht und Geschlecht … ein brennendes Netz entsteht um sie herum, mit einem grellen Lichtpunkt an jedem Kreuzungspunkt. Manche Punkte leuchten heller, und manche Verbindungslinien sind stärker, aber der Zweck des Ganzen ist klar: Es ist eine Karte der Lyr , eine Darstellung ihrer metaphysischen Verbindungen. Das Gesamtmuster entspricht den Facetten des schwarzen Kristalls, als wäre der Stein ein Versuch, die Essenz dieser Vision in Materie einzufangen.
    Dann entdeckt sie etwas zwischen den Kraftlinien. Sie beschirmt ihre Augen, die von dem grellen übernatürlichen Schauspiel geblendet sind, und sieht genauer hin. Nur mit Mühe kann sie einen matten Lichtpunkt unterscheiden, der im Glanz des Lyr -Netzes beinahe verschwindet. Sie sucht die Karte ab und findet noch einen. Und noch einen. Die Punkte sind überall, sie füllen die Dunkelheit zwischen den leuchtenden Maschen. Wenn die hellen Lichtpunkte die Lyr darstellen, sollen diese Flecken dann für jene Menschen stehen, die keine Lyr sind? Welch trauriger Anblick! Vereinzelte Bruchstücke der Menschheit, ohne Verbindung zueinander, ohne Existenz außerhalb der eigenen Identität. Die Maschen des Lyr -Netzes streifen sie, heften sich aber nicht an; inmitten all der summenden Energie des ganzen Netzes bleiben sie matt, isoliert, für immer getrennt von der Macht, die der Thron geweckt hat …
    Gwynofar riss die Augen auf. Einen Moment lang lag sie mit wild pochendem Herzen auf ihrem Bett und wartete, bis ihr Bewusstsein sich voll ins Wachen zurückgekämpft hatte. Dann rief sie mit heiserer Stimme nach ihrer Zofe.
    Das Mädchen erschien wenig später. Man sah ihr an, dass sie tief und fest geschlafen hatte. »Majestät? Ist alles in Ordnung?«
    »Geh und hole Sina«, flüsterte Gwynofar. »Sofort.« Sie setzte sich auf und griff nach ihrem Morgenmantel. »Sag ihr, ich wüsste jetzt, was zu tun ist.«

Kapitel 33
    Der Sturm über dem Tränenmeer kam ohne Vorwarnung. Eben war der Himmel noch hell und klar gewesen – ein herrlicher Sommertag –, und gleich darauf rasten schwarze Unwetterwolken heran, bäumten sich auf wie wilde Pferde, verdeckten die Sonne, warfen Schatten auf die Strände der Freien Lande und verwandelten das Meer in schwarze Tinte. Unter den Wolken kämpften die Seeleute in zunehmend unruhiger See darum, einen – irgendeinen – sicheren Hafen zu erreichen, bevor der Sturm noch schlimmer wurde. Aber schon jetzt fiel das Navigieren schwer. Der Wind sprang immer wieder um, in einem bizarren, unnatürlichen Rhythmus, der den Seeleuten doppelt Angst machte. Es war, als hätte die Natur selbst den Verstand verloren und alle Regeln vergessen, denen Stürme gewöhnlich folgten.
    Als die Sonne unterging, war nahezu der gesamte Himmel schwarz, und Regenbänder peitschten zischend über Meer und Land. Auch der schmale orangerote Lichtstreifen, der sich durch den Sturm zwängte, wurde vom Regen erfasst, sodass es aussah, als regnete flüssiges Feuer auf die Erde herab.
    Dann setzten die Blitze ein. Ein greller Lichtspeer nach dem anderen raste, begleitet von ohrenbetäubenden Donnerschlägen, über den Himmel. Die meisten Blitze schlugen nicht in die Erde ein, sondern flogen von Wolke zu Wolke, als würden sich mächtige Sturmgötter duellieren. Die Blitze kamen so häufig und waren so hell, dass der ganze Himmel in ihrem

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