Die Seelenkriegerin - 3
verwendete, die eigene Persönlichkeit. Wenn Ramirus Kamala als Magister bezeichnete, stellte er lediglich fest, dass sie die Zauberei erlernt hatte und nun wie ein Parasit den Morati ihre Lebenskräfte raubte, um sich selbst am Leben zu erhalten. Doch Colivar wusste mehr über das wahre Wesen der Zauberer als Ramirus. Für ihn schwangen in dem Titel unzählige vergessene Geheimnisse und Ängste, Fehlschläge und Vertrauensbrüche mit, von denen seine Standesgenossen nichts ahnten. Wenn er eine Hexe mit diesem verbotenen Namen anspräche, würde er damit erklären, sie sei Bestandteil eines komplizierten Netzwerks, von dem die anderen nicht einmal vermuteten, dass es existierte … und trüge die Saat von Colivars ganz persönlicher Seelenqual auch in ihren Adern.
Seltsam, wie sehr ihn dieser Gedanke erregte. Er brachte sein Blut in Wallung wie seit Langem nichts mehr. Und er warf alle möglichen Fragen nach seinem eigenen Wesen auf, Fragen, von denen er geglaubt hatte, sie seien längst beantwortet. Eine Mischung, die jeden Magister berauschen musste.
Doch vor allem lieferte ihm die Vorstellung genügend Stoff, um an etwas anderes zu denken als an Sidereas Palast und die Präsenz, die er dort entdeckt hatte. Beides hatte ihm schon so manche schlaflose Nacht bereitet und würde das zweifellos auch weiterhin tun.
Denn ein Heilmittel gegen Albträume musste die Zauberkunst erst noch finden.
Als Colivar zu dem Treffen kam, waren die anderen bereits versammelt. Er spürte ihre Anwesenheit, bevor er den Raum betrat, und zögerte kurz. Wollte er wirklich zu ihnen stoßen? Die Gesellschaft anderer Zauberer war selbst an guten Tagen belastend genug, und die Tatsache, dass er in Sidereas Palast die Witterung einer Seelenfresser-Königin aufgenommen hatte, machte die Sache nicht einfacher. Ein Nest voller Eier zu finden und Vermutungen darüber anzustellen, dass eine Königin irgendwann durch die Gegend gezogen sein könnte, war nicht das Gleiche, wie mit jedem Atemzug diesen betäubenden Duft einzusaugen, die magischen Spuren der Präsenz einer Königin bis in die Fingerspitzen zu spüren und zu wissen, dass eine frühere Geliebte jetzt mit ihr verbunden sein und diese letzte Intimität mit ihr teilen könnte.
Alles in allem wäre er viel lieber auf der Stelle nach Hause gegangen und hätte sich mit seinen Gedanken ins stille Kämmerlein zurückgezogen, als seinen Standesgenossen zu begegnen. Aber er brauchte das Wissen, das bei diesem Treffen ausgetauscht würde, daran führte kein Weg vorbei. Und so stieß er mit einem tiefen Atemzug die Tür auf und betrat, äußerlich gelassener, als ihm zumute war, den Raum.
Lazaroth, Ramirus und Sula erhoben sich respektvoll. Sie hatten sich an drei Seiten eines schweren Tisches platziert, sodass das Möbelstück sie wie ein Schutzschild voneinander trennte. Früher hätte Colivar dies mit Belustigung registriert, doch heutzutage erschienen ihm selbst die harmlosesten Gesten verhängnisvoll. Das Tier, das im Herzen jedes Magisters lauerte, kannte seine Beziehung zu seinesgleichen – selbst wenn sein Wirt sich dessen nicht bewusst war – und war ständig auf einen Kampf gefasst.
»Magister.« Colivar nickte Lazaroth in seiner Rolle als Gastgeber anerkennend zu, bevor er den für ihn frei gehaltenen Platz an der vierten Tischseite einnahm. Magische Energien versetzten die warme Keirdwyn-Luft zwischen den Magistern in Schwingungen – Fühler wurden ausgestreckt, um Absichten zu prüfen, Stimmungen zu erkunden, dem Gegner zuvorzukommen. Früher einmal wäre es unmöglich gewesen, dass sich so viele Magister gleichzeitig in einem Raum aufhielten, geschweige denn eine halbwegs zivilisierte Unterhaltung führten. Colivar warf einen Blick auf Ramirus und sah an seiner gefurchten Stirn, dass auch er sich an diese Zeiten erinnerte. Manchmal kam es ihm vor, als wäre es gestern gewesen. Hätten sie ihren Schülern mehr über diesen Teil ihrer Vergangenheit erzählen sollen? Für Colivars Geschmack hätte das zu viele Erklärungen erfordert, er hätte sein Innerstes zu sehr entblößen müssen. Es gab Geheimnisse, die man besser im Vergessen begrub. Ramirus hatte sicherlich eine ähnliche Wahl getroffen. Folglich waren die jüngeren Magister ebenso stark durch ihre Unwissenheit geprägt wie die älteren von ihren Erinnerungen. Colivar glaubte zu wissen, zu welcher Gruppe Lazaroth gehörte, aber bei Zauberern konnte man nie sicher sein; ein Mann konnte nur deshalb seine Gestalt verändern
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