Die Seelenkriegerin - 3
und in die Rolle des Anfängers schlüpfen, weil das ein neues Spiel für ihn war. Lediglich bei einem Kandidaten, den man selbst durch die Erste Translatio geführt hatte, wusste man mit Sicherheit, wie alt er war.
»Ramirus, Colivar, Sula … ich danke euch, dass ihr gekommen seid.« Lazaroth nickte jedem einzeln zu. »Nachdem ihr alle den Alkal-Feldzug unterstützt hattet, versprach ich, euch über unsere Entdeckungen dort auf dem Laufenden zu halten. Heute will ich dieses Versprechen einlösen. Ihr könnt gerne so viele Fragen stellen, wie ihr wollt, und wenn ihr als Gegenleistung Erkenntnisse anzubieten habt, wären diese sicherlich willkommen.« Ein Mundwinkel zuckte: eine flüchtige Andeutung eines kalten Lächelns. »Zugegeben, wir neigen im Allgemeinen eher dazu, unser Wissen zu horten, als es mit anderen zu teilen. Aber ihr werdet mir zweifellos zustimmen, dass die Rückkehr eines alten Feindes neue Strategien erforderlich macht.
Keirdwyns Seher haben die Bresche im Heiligen Zorn untersucht. Außerdem wurden unabhängige Hexen und Hexer von Alkal hinzugezogen, um ihren Befund zu bestätigen. Ich hätte den Alkaliern in dieser Sache nicht vertraut, wenn die Entscheidung bei mir gelegen hätte, aber der Durchbruch erfolgte innerhalb ihres Protektorats, und deshalb hielt es der Erzprotektor von Keirdwyn nicht für gerechtfertigt, sie auszuschließen.«
Die empfindlichen Seher wären sicherlich lieber in die Hölle marschiert, als sich in Reichweite des Heiligen Zorns zu begeben , dachte Colivar. Die große Bereitschaft der Heiligen Hüter, sich selbst zu opfern, versetzte ihn immer wieder in Erstaunen. Allerdings waren sie ja Nachfahren derselben Hexen, Hexer und Krieger, die vor Jahrhunderten ihr Leben hingegeben hatten, um die Welt vor dem Untergang zu retten. Der Opferwille lag ihnen im Blut. Sie sogen ihn mit der Muttermilch ein.
Doch auch ein solches Erbe kann entarten , überlegte er nüchtern. Auch ein Held kann schreckliche Dinge tun, wenn ihn die Umstände dazu treiben.
»Offenbar haben bereits eine Reihe von Ikati die Grenze nach Süden überschritten«, fuhr Lazaroth fort. »Wie wir es befürchtet hatten.«
»Wie viele?«, fragte Sula.
Lazaroth schüttelte den Kopf. »Schwer zu sagen. Spuren sind aus naheliegenden Gründen schwer zu finden. Nur sehr wenige von den Kreaturen haben tatsächlich den Boden berührt – jedenfalls an den Stellen, die wir abgesucht haben –, demzufolge gibt es kaum Anker für einen Suchzauber. Die meisten vorhandenen Spuren wurden offenbar von einem einzigen Seelenfresser hinterlassen, der allem Anschein nach mit einem gewissen Nyuku verbunden ist.«
»Nyuku?« Die Farbe wich so schnell aus Colivars Gesicht, dass er es nicht verhindern konnte. Von allen Seiten kratzten magische Fühler wie tausend winzige Speere an seinem mentalen Panzer und begehrten Einblick in seine Reaktion; er musste seine ganze Erfahrung – und emotionale Widerstandskraft – aufbieten, um sie abzuwehren. Nein, er durfte diesen Magistern auf keinen Fall zeigen, wie sehr der Name sein Blut in Wallung brachte, denn sie könnten den Grund dafür erraten.
Nyuku ist hier. In meiner Welt. Der Name ließ Gefühle durch seine Adern rauschen, die er längst besiegt geglaubt hatte. Tief drinnen, wohin keiner der anderen Magister sehen konnte, zitterte er.
Wenn Lazaroth das Unbehagen seines Gastes bemerkte, so zeigte er es nicht. »Ganz recht. Der Name wurde in Anukyats Unterlagen mehrfach erwähnt, so hieß der Kannoket, der mit ihm verhandelte. Er könnte eine führende Rolle bei der Invasion gespielt haben, oder er blieb einfach als Flankenschutz zurück. Auf jeden Fall hat er überall im Gelände seine Spuren hinterlassen und ein bestimmter Seelenfresser ebenfalls. Die Spuren traten stets miteinander auf, und daraus darf man wohl schließen, dass zwischen den beiden eine feste Beziehung bestand, die wir allerdings noch nicht genauer bestimmen konnten. Als Nyuku nach Anukyats Tod Alkal verließ, verschwand der Seelenfresser mit ihm.« Er hielt inne. »Nach Einschätzung meiner Hexen und Hexer haben insgesamt etwa drei Dutzend Seelenfresser die Bresche passiert. Man hat inzwischen eine Wache aufgestellt, die Ausschau nach Neuankömmlingen halten soll, aber ich fürchte, das ist …« Er seufzte. »Ich glaube, die passende Redewendung wäre ›den Brunnen zudecken, nachdem das Kind ertrunken ist.‹«
Der größte Teil der Kolonie muss nach Süden gezogen sein , dachte Colivar. Lazaroths
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