Die Seelenkriegerin - 3
Salvator kannte die hiesigen Adelswappen zu wenig, um den Status einzelner Personen beurteilen zu können. Zwei Dutzend gesattelte Pferde mit livrierten Stallknechten standen etwas abseits. Salvator wusste nicht, ob auch Lord Cadern anwesend war. Unter normalen Umständen wäre es eine Beleidigung gewesen, wenn ein Grundherr es versäumte, den Großkönig persönlich zu empfangen, aber Salvator hatte Cadern lediglich mitgeteilt, er sei im Begriff, eine kleine Expedition zu entsenden, nicht jedoch, dass er selbst daran teilnehmen würde. Für eine große Feier hatte also kein Anlass bestanden. Als Salvator sich nun umschaute, konnte er sehen, dass Cadern alles beschaffen konnte, was er verlangt hatte, und darauf allein kam es an.
Die Anwesenden erkannten Salvator sofort, als er durch das Portal trat, und die Gardisten huldigten ihm mit tief gesenkten Köpfen. Ihr Hauptmann erbleichte, womit auch die Frage nach Lord Caderns Anwesenheit beantwortet war. Er war eindeutig nicht da. Der Mann warf einer Dienerin einen scharfen Blick zu, und die schloss kurz die Augen und konzentrierte sich. Wahrscheinlich eine Hexe. Der Großkönig ist hier! Salvator glaubte die Luft knistern zu hören, als sie diese unsichtbare Nachricht absetzte. Wie viel Panik würde diese Botschaft wohl auslösen? , fragte er sich. War Cadern schon hektisch dabei, eine Hexe zu finden, die ihn hierher beförderte, damit er seinem Herrscher persönlich seine Ehrerbietung bezeugen konnte? Oder war es dafür noch zu früh? Falls er noch schlief, würde er vor dem Aufstehen ein paar schlimme Träume haben.
An Berghängen zu beiden Seiten der Wiese, auf der das Zauberportal erschienen war, standen zwei Magister einander wie die Geier gegenüber. Rechts hatte sich Ramirus mit steifem Rücken und in hoheitsvoller Haltung aufgebaut. Seine lange schwarze Robe schien das junge Sonnenlicht einfach einzusaugen. Salvator nahm seine Anwesenheit ohne Begeisterung mit einem kurzen kalten Nicken zur Kenntnis. Der Großkönig hatte zwar erlaubt, dass Ramirus an dieser Mission teilnahm, aber das hieß noch lange nicht, dass er darüber glücklich sein musste. Der zweite Geier auf der anderen Seite wirkte nicht ganz so streng, ein dünner Mann, hochgewachsen und mit scharfen Gesichtszügen, das lange schwarze Haar im Nacken zu einem Schwanz zusammengebunden. Das musste Ramirus’ Rivale Colivar sein. Auch er trug schwarze Kleidung, aber es war ein ganz gewöhnliches, mattes Schwarz, und der Schnitt war der von schlichten Morati-Gewändern. Eine seltsame Marotte. Glaubte er wirklich, durch sein bescheidenes Auftreten für etwas anderes gehalten zu werden, als er tatsächlich war? Colivar wartete in lässiger Pose, an einen Baum gelehnt, einen angebissenen Apfel in der Hand. Aber sein durchdringender Blick strafte die zwanglose Attitüde Lügen. Heute stand so manches auf der Tagesordnung, nicht nur der bevorstehende Krieg zwischen Menschen und Seelenfressern, sondern auch der kalte, scharfe Konkurrenzkampf, mit dem sich die Magister so gern die Zeit vertrieben. Salvator mochte dieses Spiel nicht in allen Einzelheiten durchschauen – vielleicht wollte er das auch gar nicht –, aber er wusste, dass nichts anderes, nicht einmal die Rettung der Welt es stören durfte.
Colivar weiß mehr über die Seelenfresser als jeder lebende Mensch , hatte Ramirus Salvator erklärt. Geheimnisse über Geheimnisse. Kaum bat man einen Magister, auch bloß eines davon zu lüften, schon war man in seiner Gewalt. Salvator hatte den Köder nicht angenommen.
Zumindest hatte Ramirus geschworen, in Salvators Namen keine Zauberei auszuüben. Vermutlich hatte sich auch Colivar dazu bereit erklärt.
Und wenn dieser Seelenfresser Euer Leben in Gefahr bringt? , hatte Ramirus wissen wollen. Soll ich mich auch dann zurückhalten?
Ja , hatte Salvator geantwortet und der uralten unreinen Seele ohne Zögern oder Zweifel in die Augen geschaut. Lieber lasse ich mich von einem Seelenfresser in Stücke reißen, als mich von Eurer Zauberei retten zu lassen.
Beide Magister hielten ihn deshalb sicherlich für töricht. Ein kurzsichtiger frommer Narr, der sein eigenes Leben wegen eines skurrilen und längst überholten Vorurteils aufs Spiel setzte. Doch wer so dachte, der verstand seinen Glauben nicht … oder verkannte den spirituellen Wert religiösen Märtyrertums. Wenn er, der Großkönig, den Tod über die Verderbnis stellte, könnten dann nicht auch andere den selbstverständlichen Umgang mit Zauberei in
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