Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
schüttelte seufzend den Kopf. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich wäre, wenn er mich beraten könnte.«
»Ich glaube …« Sie zögerte. »Ich glaube, deine Zweifel wären ihm unverständlich. Seine Denkweise war in vielen Dingen sehr schlicht. Wenn er der Meinung war, jemand verdiene den Tod, dann tötete er ihn, ohne Zögern und ohne Reue. Zurzeit sind es die Seelenfresser, die den Tod verdienen, und er würde dir raten, alles zu tun, was nötig ist, um sie zu ihrem Schöpfer zu schicken.« Wieder dieses leise Schmunzeln. »Oder zu ihrem Zerstörer, wenn du so willst.«
Und was ist mit dir, Mutter? Wenn ich dich bäte, die Last des Kampfes mit mir zu tragen, wärst du dann auch so schnell bereit, diesen Krieg zu preisen?
Laut sagte er: »Valemar hat möglicherweise die gleiche Gabe wie ich. Ebenso meine Schwestern. Aber sie würde man wohl kaum in einen Vernichtungsfeldzug gegen die Ungeheuer schicken.«
»Valemar ist kein Krieger«, gab sie offen zu. »Ich liebe ihn sehr, aber er ist nicht aus dem gleichen Holz geschnitzt wie du. Und deine Schwestern sind mit ihrem Frauenleben zufrieden, sie haben auf dem Schlachtfeld nichts zu suchen.«
Sie fuhr ihm mit federleichtem Finger über die Wange und zeichnete eine der roten Schrammen nach. Salvators Hexer hatten die Wunde sauber verschlossen, die Berührung war daher nicht schmerzhaft, aber sie fühlte sich so seltsam an, als gehörte die verletzte Wange gar nicht zu ihm. »Außerdem sind ihre Götter mit Dingen wie der Ernte, dem Regen und der menschlichen Fruchtbarkeit befasst. Nicht mit der Rettung der Welt. Dein Glaube ist dein Panzer, mein Sohn.«
Salvator verschlug es die Sprache. Sollte das ein Lob für seine Religion sein? Wenn ja, wäre das Neuland für ihn; er wusste noch nicht, wie er damit umgehen sollte. »Und was ist mit dir, Mutter? Hast du Angst, Blut zu vergießen?«
Ihre Hand sank herab; ihre Miene verdüsterte sich. »Ich finde, diese Frage habe ich bereits beantwortet. Die Seelenfresser-Königin ist tot, weißt du nicht mehr?«
Er schüttelte den Kopf. »Seine Heimat gegen eine Bedrohung zu verteidigen, das ist eine Sache. Zu wissen, dass die eigene Familie sterben könnte, wenn man nicht handelt. Aber in einem fremden Land Blut zu vergießen, wo man nicht unter eigenen Leuten ist und nur auf die Unterstützung zählen kann, die man selbst mitbringt, ist etwas ganz anderes.«
Sie sah ihm lange in die Augen. »Was willst du von mir hören, Salvator?«
Er nahm einen tiefen Atemzug. Die Sätze, die er sich für diesen Augenblick zurechtgelegt hatte, waren ihm entfallen. Wer weiß, vielleicht wären es auch gar nicht die richtigen gewesen? »Ich glaube … du hast besondere Kräfte, Mutter. Die Gabe, die dir auf dem Thron der Tränen geschenkt wurde, die Fähigkeit, eine Verbindung zwischen allen Lyr herzustellen und die alte Macht in ihrem Blut zu wecken … sie wohnt dir immer noch inne.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Diese Immunität, die ich angeblich habe … sie wird stärker, wenn du in der Nähe bist. Ich glaube, das ist einer der Gründe, warum mir die Macht der Königin nichts anhaben konnte. Und wenn du nun die gleiche Wirkung auf alle Lyr hättest, Mutter? Die meisten Heiligen Hüter sind in irgendeiner Weise mit den Lyr verwandt, wenn auch vielleicht nur sehr entfernt. Angenommen, du könntest bei allen diese Widerstandskraft verstärken?«
Sie starrte ihn an. Und schwieg – eine kleine Ewigkeit lang. In den Tiefen ihrer Augen flackerten namenlose Empfindungen.
»In der Weissagung, die uns zu diesem Thron führte«, sagte sie endlich, »gab es am Ende eine Passage … von der Favias glaubte, sie könnte sich auf mich beziehen. Ich war mir nicht so sicher. Aber wenn das richtig ist, was du sagst …« Sie verstummte.
»Wie lautete sie?«
Sie schloss die Augen, konzentrierte sich und rezitierte:
Die Mutter von Menschen wird ihr Schwert erheben gegen die Mutter des Wahnsinns.
Die Königin auf dem Thron der Tränen wird Dämonen zum Weinen bringen.
Die Herren der Erde werden von ihrem Blut trinken, um sich Mut zu machen.
Wenn sie mit ihrem ruhmreichen Glauben sich wappnen zum Kampf.
»Danach ging es noch weiter«, sagte sie und schlug die Augen wieder auf. »Aber Keirdwyns Archivar glaubte, jene Texte handelten von Ereignissen, die bereits eingetreten seien, und deshalb hätten die Verse keine Bedeutung mehr. Die Formulierungen sind natürlich ziemlich rätselhaft.« Sie schmunzelte ein wenig. »Mir scheint,
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