Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
hielt inne. »Diese Sitte wurde klugerweise aufgegeben«, fuhr er dann fort. »Ich habe über diese Dinge noch nie mit einem lebenden Menschen gesprochen und werde es auch nie wieder tun. Was ihr also meinen Worten heute nicht entnehmen könnt, müsst ihr auf eigene Faust in Erfahrung bringen.« Er hielt inne. »Könnt ihr diese Bedingungen akzeptieren?«
Seine dunklen Augen wanderten reihum und hefteten sich auf einen Magister nach dem anderen. Sein Blick war frei von der gewohnten Überheblichkeit, auch Sarkasmus, Humor oder andere menschliche Eigenschaften waren nicht darin zu finden. Aus den schwarzen Augen sprach eine Leere, die so quälend war, dass sie den ganzen Kreis auszufüllen schien, jedes Geräusch zum Verstummen brachte und alle Gefühle verschluckte.
Ein Magister nach dem anderen nickte.
Colivar schloss kurz die Augen und konzentrierte sich mit leichtem Stirnrunzeln. Als er schließlich sprach, war seine Stimme ruhig und ohne jedes Gefühl. Er hatte diese Rede so oft geübt, dass er sie wie von einem Manuskript ablas. Eine Inszenierung.
Das war der sicherste Weg.
»Zunächst müsst ihr wissen, dass die Ikati von Natur aus Einzelgänger sind und die Nähe ihrer Artgenossen nicht ertragen. Niemals werden sich zwei Männchen ohne Not ein und dasselbe Revier teilen, und wenn sie keine andere Wahl haben, werden sie sich eher bis aufs Messer bekämpfen, als sich auch nur für eine Stunde mit der Situation abzufinden. Die Weibchen sind nicht ganz so gewalttätig, sie ziehen es vor, eventuelle Konkurrenten zu vertreiben, anstatt sich auf einen Kampf einzulassen. Und sie können ihre hypnotische Kraft auch gegen die eigenen Artgenossen einsetzen, das hilft ihnen, sich vor unerwünschter Aufmerksamkeit zu schützen. Wenn es allerdings um das Revier geht, töten auch sie ohne Bedenken.
Diese Unverträglichkeit ist keine Sache des Willens«, betonte er. »Sie ist angeboren. Instinktiv. Für einen wilden Ikata ist jeder Angehörige seiner Spezies ein Todfeind. Nur mit größtem Druck sind sie dazu zu bringen, sich ein Revier zu teilen oder gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten.«
»Was ist mit den Heerscharen von Ikati?«, fragte Sula. »Wie man hört, war im ersten Königtum der Himmel voll von ihnen.«
Colivar schüttelte den Kopf. »Nichts als Legenden. Wenn sich damals zwei Ikati im selben Revier aufgehalten hätten, dann hätten sie so lange um die Vorherrschaft gekämpft, bis einer von ihnen kapituliert hätte und geflohen … oder umgekommen wäre. Sie konnten gar nicht anders.«
» Damals «, unterbrach Ramirus scharf. Es war offensichtlich als Frage gemeint, aber Colivar ging nicht darauf ein.
Ja, mein alter Feind, du bist hellhöriger als alle anderen zusammen. Und du bist auch älter als die meisten von ihnen. Ich frage mich, wie viel von der Geschichte du dir selbst schon zusammengereimt hattest.
»Ihr wisst, dass sie ihre Kräfte aus gestohlenem Leben beziehen«, fuhr Colivar fort, »und vom Sonnenlicht. Sie brauchen freie Räume – wolkenlosen Himmel –, Wärme auf ihren Schwingen. Deshalb setzten unsere Vorfahren Feuer ein, um sie nach Norden zu treiben. Zuerst die Illusion von Feuer und später, als die Hexen und Hexer knapp wurden, die solche Bilder beschwören konnten, echte Flammen. Als der Rauch, der zum Himmel aufstieg, zu dicht wurde, flohen die Seelenfresser schließlich nach Norden.« Er hielt inne. »Das soll nicht heißen, dass diese Taktik noch einmal erfolgreich wäre. Sie sind nicht mehr so schwach wie früher einmal.«
Ramirus nickte. »Kostas selbst hat Dantons Wald in Brand gesteckt.«
Colivar nickte ebenfalls. »Ich glaube nicht, dass er den Wald tatsächlich für eine Gefahr hielt, da jeder Magister die Illusion von Rauch und Feuer beschwören könnte, ohne brennbares Material zu brauchen. Ich könnte mir denken, das Feuer war eine Geste des Triumphs. Oder vielleicht die Botschaft, dass sich die Ikati nicht länger mit solch primitiven Methoden in Schach halten ließen.
Ihr alle wisst, dass sich bei der Beschwörung des Heiligen Zorns eine kleine Gruppe von Hexern und Hexen bereit erklärte, sich auf der Nordseite einschließen zu lassen. Allein in dieser Eiswüste zu bleiben, um die übrig gebliebenen Seelenfresser aufzuspüren und zu töten, auch wenn es sie den letzten Rest ihrer Lebensenergie kosten sollte.«
Er merkte selbst, wie sich die Emotionen in seine Stimme einschlichen, und hielt kurz inne, um sich zu fassen. Ramirus’ Augen waren mit seltener
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