Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
seinerseits Stärke zeigen. Du kannst mir die Rolle deines Dieners zuweisen, aber du irrst dich, wenn du glaubst, mir die Schwäche eines Dieners unterstellen zu können. Siderea war fasziniert. Glaubte er wirklich, dass ihr diese Demonstration von Unabhängigkeit imponieren konnte? Oder war es lediglich eine Trotzreaktion gewesen?
Auf jeden Fall hatte er damit Mut bewiesen, und deshalb verzichtete sie darauf, ihn zurückzurufen.
Kapitel 15
Der Steinspeer im königlichen Garten war in Mondlicht getaucht, kühle Glanzlichter tanzten über seine Oberfläche, wenn die Wolken darüber hinzogen. Salvator starrte das Ding schweigend an und bemerkte die dunklen Streifen, wo seine Mutter einmal mehr ihr Blut geopfert hatte. Einem Felsengott. Zu gern hätte er diesen Brauch so leidenschaftlich verdammt, wie es sich für einen Büßermönch geziemte, doch seit er seinen tieferen Sinn erkannt hatte, fiel es ihm schwer, den früheren Abscheu wiederaufleben zu lassen. Natürlich war und blieb es Abgötterei, doch mithilfe dieses Rituals waren die Lyr über vierzig Generationen geeint geblieben und hatten ihr Ziel im Blick behalten. So hatten sie sich ihre natürliche Immunität gegenüber der Macht der Seelenfresser bewahrt. Die gleiche Immunität, die offenbar auch er besaß. Und von der er inzwischen wusste, wie wichtig sie noch werden konnte.
Duldung ist der erste Schritt zur Verdammnis , ermahnte er sich selbst.
Schritte näherten sich, aber er drehte sich nicht um. Es waren leichte Schritte, die kaum die Kiefernnadeln auf dem Boden knickten. Als sie aufhörten, herrschte für einen Moment Stille. Er fragte sich, ob seine Mutter wohl aus Achtung vor seiner meditativen Stimmung Abstand hielt oder weil sie fürchtete, seine Bereitschaft, vor dem heiligen Speer zu stehen, könnte wie Glas zerbrechen, sobald sie ihn in seiner Betrachtung störte.
Endlich sagte er laut: »Dein Auftritt mit dem Seelenfresser war tollkühn.«
»Es musste sein.«
»Du hättest mir sagen müssen, was du vorhattest. Ich war in keiner Weise darauf vorbereitet, derart überrumpelt zu werden.«
»Wenn ich dir meinen Plan verraten hätte, hättest du ihn doch sicherlich schon im Vorfeld als tollkühn abgetan. Und mir von vornherein untersagt, auch bloß einen Versuch zu wagen.«
Ein Muskel an seinem Unterkiefer spannte sich. »Wahrscheinlich.«
Sie trat zu ihm. Der Seelenfresser hatte im Todeskampf ihre Wange getroffen. Dort prangte nun ein dunkelblauer Bluterguss, der sich erst an den Rändern gelb verfärbte. Salvator wusste, dass sein eigenes Gesicht mit den drei tiefen Schrammen von der Stirn bis zum Kinn noch schlimmer aussah. Die Hexer hatten die Blutung gestillt, die Wunde von Schmutz gereinigt und ihm angeboten, die Male völlig zu tilgen, doch das hatte er abgelehnt. Wenn es Gottes Wille gewesen war, ihn zu züchtigen, wollte er die Spuren seiner Strafe mit Stolz tragen.
»Hast du die Macht des Seelenfressers überhaupt gespürt?«, fragte er.
Sie schwieg und schaute zu Boden, während sie die Schlacht im Geist noch einmal an sich vorüberziehen ließ. Endlich nickte sie. »Doch, ich glaube schon. Nicht so stark, dass ich die Königin nicht direkt hätte ansehen können, aber da war eine gewisse … Trägheit. Es kostete Überwindung, mehr zu tun, als nur wie erstarrt dazustehen. Als sie zum ersten Mal mit ihrem Schwanz nach mir schlug, konnte ich nur mit Mühe rechtzeitig ausweichen.«
»Aber du hast es dennoch geschafft.«
»Ja. Allerdings musste ich meine ganze Willenskraft aufbieten.« Sie sah ihn mit schief gelegtem Kopf an. »Und was ist mit dir, mein Sohn? Ist ihre Macht auch in deine Seele gedrungen?«
Er wandte sich wieder dem Felsspeer zu. Auch er schwieg lange.
»Nein«, sagte er endlich. »Ich habe zunächst die Abschirmung ihres Territoriums gespürt, aber sobald ich erkannt hatte, was es war, und mich im Geist darauf einstellte, spürte ich … nichts mehr.«
Er hörte, wie sie scharf den Atem einzog. »Ist das wahr?«
»Es ist die Wahrheit, Mutter. Die Spezies scheint über mich keine Macht zu haben.«
Ihre menschlichen Verbündeten allerdings schon , dachte er finster. Siderea hatte ihm vor einer Weile einen Traum geschickt, gegen ihren Einfluss war er also gewiss nicht immun. Doch selbst dieser Traum war unvollkommen gewesen, und letztlich hatte er ihn vertrieben. Welche Rolle mochte seine seltsame Gabe im Umgang mit den menschlichen Verbündeten der Seelenfresser spielen?
Gwynofar legte ihm eine Hand auf den
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