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Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)

Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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seiner hellen Haut und den nordischen Zügen ergaben sie ein seltsames Bild. Die Gewänder waren schwarz, ein Zugeständnis an die Gewohnheiten der Magister, aber in den Stoff waren Streifen in unterschiedlichen Mustern eingewebt, die an die breiten Streifen der Stammesgewänder erinnerten; eine diskrete Huldigung an seine neue Heimat.
    »Colivar!« Er erhob sich von seinem Stuhl, als Colivar eintrat. Das Buch, in dem er gelesen hatte, verschwand aus seiner Hand. »Ich danke dir, dass du so schnell gekommen bist.«
    »Du hast noch nie mit einer Bitte meine Zeit verschwendet, Sula.« Er musterte leicht irritiert die Aufmachung des Jüngeren. »Wie ich sehe, wirst du hier allmählich zum Einheimischen.«
    Sula zuckte die Achseln. »Ich dachte, wenn ich schon den Königlichen Magister spielen soll, dann muss ich mich auch in die Rolle einfühlen.« Sein Ton war scherzhaft, aber seine Miene blieb ernst. »Wein?«
    Colivar nickte. Er war nicht durstig und hätte das Angebot überall sonst wahrscheinlich abgelehnt. Aber in Anchasa nahm man es mit der Gastfreundschaft ernst, und so mancher hier hätte es als Beleidigung aufgefasst, wenn jemand nicht mit ihm trinken wollte. Er wollte aber auch nicht herausfinden, wie weit Sula es mit der Anpassung tatsächlich trieb.
    Und wenn er ehrlich war, fand er es sogar erfrischend, in die alten Verhaltensmuster zurückzufallen. Er hatte sehr lange in Anchasa gelebt, die vertrauten Rituale des Lebens im Süden übten eine wohltuende Wirkung auf ihn aus.
    Er wartete, bis der Wein mit dem üblichen Zeremoniell eingeschenkt, gekostet und gelobt worden war, dann sagte er: »Du hast mich nicht bloß zu einer Weinprobe gerufen, richtig? Was hast du auf dem Herzen?«
    Sula stellte mit einem Seufzer seinen Becher ab, schaute eine Weile darauf nieder und fuhr mit dem Finger über den Rand. Endlich sagte er: »Siderea hat mich aufgesucht.«
    Damit hatte Colivar nun wahrlich nicht gerechnet. »Wann? Wo? Wissen die anderen Bescheid?«
    »Sie hat mir einen Traum geschickt. Und nein, sonst weiß es niemand. Du bist der Erste, dem ich davon erzähle.«
    Colivars Reaktion auf das Geständnis als Überraschung zu bezeichnen, wäre untertrieben gewesen. Allein, dass Sula ihn von dem Ereignis in Kenntnis setzte, war schlechterdings unglaublich. Natürlich hatte der Jüngere den Rat seines Mentors schon immer geschätzt – mehr vielleicht, als gut für ihn war –, und seit die vier Magister ihr »Bündnis« geschlossen hatten, war es nicht mehr undenkbar, dass sie gewisse Erkenntnisse miteinander teilten. Aber Rivalität und Misstrauen lagen ihnen immer noch im Blut, beides war schließlich in ihrem Ikati-Erbe verwurzelt. Wenn Sula Colivar ein Erlebnis von solcher Tragweite gestand, dann war er wohl so tief beunruhigt, dass er nicht glaubte, allein damit fertigzuwerden. Das würde er allerdings kaum zugeben, und Colivar war klar, dass er sich instinktiv abschotten könnte, wenn er ihn nach Einzelheiten fragte, die er nicht preisgeben wollte. Dann wäre er verschlossen wie eine Auster.
    »Was wollte sie denn?«, fragte er so beiläufig, als führten sie ein harmloses Gespräch über das Wetter.
    Sula holte tief Luft. »Sie hat mir angeboten, den Thron mit ihr zu teilen«, sagte er. »Ich sollte mich ihrem Kreis von Seelenfresser-Vasallen anschließen und ihr helfen, die Welt zu regieren.«
    Colivar machte den Mund auf, brachte aber keinen Laut hervor. Er war sich vage bewusst, dass sein Versuch, keinerlei Gefühle zu zeigen, soeben kläglich gescheitert war, doch wie viel sein Gesichtsausdruck verriet, konnte er selber nicht genau ermessen. Was immer er erwartet hatte, das ganz gewiss nicht. »Ich nehme an, du hast Nein gesagt?«
    »Ich habe mich noch nicht geäußert. Wenn ich ablehne, wird sie jemand anderem den gleichen Vorschlag machen. Mit meinem Schweigen verschaffe ich uns also Zeit.« Müde ließ er sich in einen Polstersessel fallen und rieb sich die Schläfen. Er schien in einer Weise unter Druck zu stehen, wie es Colivar bei seinem Schüler noch nie erlebt hatte … dafür aber bei anderen Magistern vor langer Zeit, und er kannte auch den Grund dafür.
    Sie hat den Seelenfresser in ihm angesprochen. Und seinen Hunger geweckt. Heißt das, sie weiß, was wir sind? Hat sie die Wahrheit erraten? Die Vorstellung, dass Siderea Sulas nicht-menschliche Instinkte an die Oberfläche lockte, um darauf zu spielen wie auf einem gut gestimmten Instrument, beunruhigte ihn auf vielen verschiedenen Ebenen.

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