Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
südwestlichen Wüste, nahe der Grenze zu Anchasa. Schon vor langer Zeit verlassen. Im Großen Krieg nahezu zerstört.« Er deutete auf Sidereas Halskette, die Teppiche, die Pokale. »Alle Formen beruhen auf den Stammesmustern der Hom’ra, die in dieser Region heimisch sind. Ursprünglich sollten diese Muster böse Geister abwehren, die es in Tefilat angeblich reichlich gibt.« Er hielt inne. »Ein Gerücht, das durchaus ein Körnchen Wahrheit enthalten könnte.«
»Das heißt?«
»Die Gegend dort ist für Seelenfresser wie geschaffen. Breite Sandsteinschluchten, vom Wind ausgeformt, mit tiefen natürlichen Nischen, die Schutz bieten. Tefilat selbst wurde in einer besonders großen Schlucht errichtet, zunächst nützte man die natürlichen Nischen als Wohnstätten, später grub man Höhlen in die Wände, um weitere Räume zu schaffen. Die Stadt ist … sehenswert.
Außerdem trieben die Seelenfresser in früheren Zeiten in dieser Region ihr Unwesen und nährten sich von den Stämmen, die dort ansässig waren. Eine der größten Schlachten des Südens wurde in und um Tefilat geführt. Es heißt, dass sich in den letzten Stunden der Stadt Hunderte von Hexen und Hexern dort einfanden. Der Sandstein ist immer noch von ihrer Magie durchtränkt.« Er nickte. »Ich war schon dort. Man kann es spüren. Die Hexenkräfte treiben seltsame Spiele mit dem Bewusstsein. Die Hom’ra sprechen von einer Stadt der Geister und berichten von grausigen Dämonen, die bei Sonnenuntergang aus der Schlucht aufsteigen. Sie halten den Ort für verflucht.« Er hielt inne. »Bei meinem letzten Besuch traf ich zwar keine Dämonen, aber ›verflucht‹ könnte Tefilat durchaus sein. Ich würde dort sicherlich erst Zauberei einsetzen, nachdem ich mich vergewissert hätte, ob sie auch zuverlässig wirkt. Besonders im Hinblick darauf, dass wir mit genau den Wesen verwandt sind, die jene Hexen und Hexer zu vernichten suchten.«
Er blickte auf den imaginären Teppich hinab. »Sie muss jetzt dort sein«, murmelte er. »Oder sie hat die Stadt vor Kurzem besucht. Oder ihre Leute sind dort und bringen ihr Dinge mit. Wie man es auch betrachtet …«
»In Tefilat wird man Anhaltspunkte finden«, vollendete Sula.
Colivar nickte. »Genau.«
»Dann müssen wir wohl hinreisen. Nur Magister, oder sollen wir auch ein paar Morati mitnehmen, was meinst du? Farah würde sicherlich eine Expedition ausrüsten, wenn es nötig wäre.«
»Farah würde uns ein ganzes Heer mitgeben, wenn es nötig wäre«, stimmte ihm Colivar zu. »Doch zuerst müssen wir in Erfahrung bringen, was genau da draußen vorgeht.«
»Nach allem, was du mir eben erklärt hast, sind unsere Zauberkräfte in einer solchen Stadt nicht unbegrenzt einsetzbar. Können wir wenigstens Erkundungen damit durchführen?«
Colivar schwieg so lange, dass Sula ungeduldig hin und her rutschte und sich leise räusperte, als wollte er ihn daran erinnern, dass er nicht allein war. Aber er störte Colivar nicht beim Nachdenken. Dafür waren die Gewohnheiten aus seiner langen Schülerzeit zu tief verankert. Mit einem Teil seiner Seele würde er in Colivar immer seinen Lehrmeister sehen … sosehr der ihm das auch auszureden suchte.
»Ich kann feststellen, ob sie dort ist«, sagte Colivar endlich. »Wenn wir das wissen, können wir alles Übrige entscheiden.«
»Hast du nicht erwähnt, sie könnte sich für uns unsichtbar machen? Wir könnten mit unserer Magie die Tarnung einer Königin nicht durchdringen?«
»Ja«, antwortete Colivar leise. Und sehr ernst. »Das sagte ich.«
»Dann kennst du noch andere Mittel und Wege?«
Colivar antwortete wiederum nicht. Er streckte nur die Hand aus und legte sie dem anderen kurz auf die Schulter. Es war eine ungewohnt freundschaftliche Geste, die Erinnerungen an ein anderes Leben weckte, ein Leben vor langer, langer Zeit. Als Menschen nichts als Menschen waren und noch nicht die Seelen von schrecklichen Ungeheuern in sich trugen, die ungeduldig an den Wänden ihres Gefängnisses kratzten.
»Du wirst es erfahren, wenn ich mehr weiß«, versprach er ihm.
Kamala umkreiste das Zielgebiet etliche Male, bevor sie sich zum Anflug entschloss. Sie entdeckte eine von Colivar errichtete magische Barriere gegen Magister und hielt sich tunlichst davon fern. Es schien sich nicht um ein ernst zu nehmendes Hindernis zu handeln, keine Verteidigungseinrichtung, eher ein Alarmsystem, das Colivar benachrichtigte, sobald Besucher eintrafen. Aber alte Gewohnheiten waren zäh.
Als sie
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