Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
hinterfragen, wie das Spiel läuft. Ich durchschaue auch, was meine Berater an eigenen Interessen verfolgen, wenn sie sich aussuchen, in welche Teile sie mich einweihen.« Sie sah ihm an, dass sie richtig geraten hatte; man hatte ihr den Flug der Königin falsch dargestellt oder ihr zumindest gewisse Dinge vorenthalten. Eine finstere Genugtuung erfüllte ihr Herz, und sie sendete ihrer Ikata: Siehst du? Es ist, wie ich sagte. »Stellt mich nicht auf die Probe, Nyuku. Das Ergebnis würde Euch nicht gefallen.«
Wäre sie ein Mann gewesen – oder eine Frau, auf deren Gunst er nicht angewiesen war –, Nyuku hätte ihr vielleicht eine sarkastische Antwort gegeben. Aber er brauchte sie noch, und so atmete er tief ein, um sich zu beruhigen, und fragte: »Was wollt Ihr wissen?«
»Warum will Colivar zu mir kommen? Was treibt ihn an?«
»Das Gleiche, was uns alle antreibt, Hoheit.«
» Uns … meint Ihr damit die Reiter? Warum? Er ist doch keiner von Euch? Oder doch?«
Ein leises Lächeln trat in sein Gesicht, als habe ihn die Frage erheitert. »Er war einmal mit einem Ikata verbunden wie wir anderen auch. Wie wir alle teilte er seine Begierden. Und er fühlt sich aus den gleichen Gründen wie wir zur letzten noch lebenden Königin hingezogen, auch wenn er sicherlich für sich selbst andere Erklärungen für sein Verhalten findet. Menschliche Gründe. Aber das sind nur Vorwände. Was ihn treibt, ist der Funke der Ikati … und vielleicht der Wunsch, sich zurückzuholen, was er einst verloren hat.«
Sie zog zischend den Atem ein. »Seid Ihr da ganz sicher?«
»Absolut.«
»Und Euer persönliches Verhältnis zu ihm?«
Der Hass, der kurz in seinen Augen aufflackerte, war beredter als alle Worte. »Wir haben … noch eine Rechnung offen.«
Mehr brauchte er nicht zu sagen. Sie hatte genügend Männer in der Brunft erlebt, um sich vorstellen zu können, um was für eine Rechnung es sich handelte.
Lass sie um uns kämpfen , flüsterte die junge Ikata in ihrem Kopf. Sie wollen nichts anderes. Ihr Blut verlangt danach.
Offenbar verlangte auch Sidereas Blut danach, denn bei dem Gedanken an einen solchen Kampf lief eine warme Welle durch ihren Unterleib. »Nun gut«, sagte sie. »Ihr bekommt Gelegenheit, Eure … Rechnung … zu begleichen, bevor ich ihn mir vornehme.«
Nyuku runzelte die Stirn. »Ich soll also sein Leben noch einmal verschonen? Mit Verlaub … haben wir das nicht bereits hinter uns?«
Insgeheim bezweifelte Siderea, dass Nyuku es mit Colivar aufnehmen konnte. Der Reiter mochte das Feuer der Ikati-Leidenschaft in den Adern haben, aber ihres Wissens hatte er nie eine magische Ausbildung genossen. Alles Athra der Welt nützte wenig, wenn man es nicht richtig zu kanalisieren wusste.
Allerdings war sie im Moment mit Nyuku unzufrieden. Er hatte in Tefilat versagt. Und während seine männliche Arroganz für eine Seelenfresser-Königin anziehend sein mochte, ging sie ihr als Mensch allmählich auf die Nerven.
Wenn er Colivar tötet, dann habe ich mein Ziel erreicht. Gelingt es ihm nicht, dann ist er tot, und ein anderer nimmt seinen Platz ein. Mit beidem kann ich leben …
»Nun gut«, sagte sie. »Ich will Euch keine Einschränkungen auferlegen. Wenn Ihr ihn töten könnt, dann tut es. Wenn nicht, kümmere ich mich selbst um ihn. In beiden Fällen«, versprach sie feierlich, »wird dies Colivars letzte Schlacht.«
Wie gut ihr diese Worte in den Ohren klangen. Und wie liebenswürdig von Colivar, in ihre Stadt zu kommen und ihr Gelegenheit zu geben, sie auszusprechen.
Zum ersten Mal an diesem Morgen lächelte Siderea.
Auf dem Kriegsschauplatz hatte sich etwas verändert; Ramirus konnte es spüren. Nichts so Konkretes wie ein Zauber, auf den er hätte zeigen, oder eine einzelne Erscheinung, die er hätte benennen können. Eher eine Bewegung im Potenzial. Eine subtile Veränderung der Wahrscheinlichkeit. Dinge wurden in Gang gesetzt, die an sich wenig Bedeutung hatten, aber im weiteren Verlauf bedeutsame Ereignisse auslösen konnten. Mit seiner divinatorischen Magie konnte er das größere Muster erkennen, seinen Ursprung jedoch nicht festmachen.
Gehörte das zu Colivars Plan?
Noch hatte es keinen Sinn, die anderen zu warnen. Salvator würde nichts auf Erkenntnisse geben, die durch Zauberei gewonnen worden waren. Favias und Sina bräuchten greifbare Fakten, bevor sie handeln konnten, und die hatte er nicht zu bieten. Gwynofar wiederum … sie verstand nicht, wie sehr ihn das Magistergesetz in seinem
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