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Die Seelenquelle

Die Seelenquelle

Titel: Die Seelenquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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kannst«, sagte Hana-Li. »Ich lasse dir dann heißes Wasser bringen.«
    »Du bist äußerst fürsorglich, Tante«, erwiderte Charles und nahm ihre Hände in seine. Er drückte ihre Hände und fügte hinzu: »Ich wusste, dass es die richtige Entscheidung sein würde, hierher zu kommen.«
    Gemeinsam genossen sie ein üppiges Abendessen; und während Tam-Ling verschiedene Speisen aus der Küche zum Tisch beförderte, erfreute Charles seine betagte Verwandte mit Geschichten, an die er sich erinnern konnte – über Erlebnisse aus seiner Kindheit und von Geschehnissen, die über die Jahre hinweg überliefert worden waren: Erzählungen über Arthurs Heldentaten auf seinen wagemutigen Reisen und über die sympathischen, ein wenig andersartigen Gewohnheiten seiner Großmutter; Kindheitserinnerungen von ihm selbst und seinem Vater an den Bauernhof und das Landleben im dörflich geprägten Oxfordshire – und Geschichten über vieles mehr. Hana-Li fand großen Gefallen an den Erzählungen; von Zeit zu Zeit klatschte sie vor Freude mit den Händen, wenn eine bestimmte Geschichte mit all ihren Verwicklungen vor der alten Frau ausgebreitet wurde. Sie selbst fügte zuweilen ihre Erinnerungen an die eigene Kindheit und die ihrer Schwester hinzu – an die Zeit, als sie in Macao aufwuchsen. Körperlich und seelisch gesättigt, gingen Hana-Li und ihr Großneffe in dieser Nacht schließlich zu Bett.
    Als Charles am nächsten Morgen aufstand, trommelte ein leichter Regen gegen die Dachziegel. Er kleidete sich an und ging die Treppe hinunter. Seine Großtante traf er im Wohnzimmer an, die dort bereits auf ihn wartete. Sie hatte sich die Lederrolle auf den Schoß gelegt und starrte sie angespannt an. Er begrüßte sie mit einem Kuss. Da sie offensichtlich etwas auf dem Herzen hatte, blieb er stehen und wartete darauf, dass sie begann.
    »Ich habe nachgedacht«, sagte sie schließlich, wobei sie immer noch auf das Bündel in ihrem Schoß starrte. »Ich bin eine sehr alte Frau, und ich werde nicht mehr viele weitere Jahre leben.«
    »Du strotzt nur so vor Gesundheit …«
    Sie hob ihre Hand und schnitt ihm so das Wort ab. »Nein, es ist die Wahrheit. Deshalb bin ich nicht bereit, diese Aufgabe zu übernehmen.« Bevor Charles sie unterbrechen konnte, fuhr sie fort: »Jedoch verstehe ich deinen Wunsch, das hier …« – sie zögerte – »… dieses ›Überbleibsel‹ an einem sicheren und geschützten Ort aufzubewahren.« Zum ersten Mal hob sie ihre Augen und blickte Charles an. »Ich möchte dir einen Vorschlag unterbreiten.«
    »Ich bin begierig, ihn zu hören.«
    »Ich möchte, dass du mich nach Macao bringst«, offenbarte sie. »Viele Jahre sind vergangen, seitdem ich meine Heimat das letzte Mal besucht habe, und ich würde sie gerne noch einmal sehen, bevor ich sterbe. Es gibt einen alten Familienschrein außerhalb der Stadt – dort ist die Asche meines Vaters und meiner Mutter. Wir werden den Schrein besuchen, und dort, glaube ich, wirst du eine Stelle finden, wo du dies« – sie senkte wieder den Blick auf den Gegenstand in ihrem Schoß – »ganz sicher aufbewahren kannst.«
    Charles dachte einen Augenblick darüber nach. »Eine glänzende Idee, Tante. Ich glaube, du hast die perfekte Lösung gefunden.« Das Verstecken der Kartenteile in Grabmälern und Schreinen schien tatsächlich nicht nur angemessen, sondern geradezu genial zu sein. Er bückte sich zu ihr und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Es wird eine Freude für mich sein, dich nach Macao zu begleiten, um den Familienschrein zu besuchen. Wir könnten uns auch das alte Tattoo-Geschäft ansehen, wenn du es möchtest – ich weiß, ich würde es gerne sehen.«
    »Dann werde ich Vorkehrungen treffen«, erklärte Hana-Li. Sie ergriff das Päckchen und bot es ihm abermals an. »Wir besuchen zuerst den Schrein, und du wirst das hier in ihm hinterlegen.«
    Charles beugte sich ein wenig und nahm die in Leder gewickelte Rolle entgegen. Er hielt sie auf seiner Handfläche und verkündete: »Das wird der passendste Ruheplatz für dieses besondere Teil unserer Familiengeschichte sein.«

ZWEIUNDDREISSIGSTES KAPITEL

    I n der Genisa waren Stühle in einem ordentlichen Halbkreis aufgestellt worden, um der kleinen, jedoch ausgewählten Gruppe Platz zu bieten. Das Zentrum des großen Raumes hatte man ausgeräumt für das besondere Treffen, bei dem Cassandra Clarke in die Zetetische Gesellschaft eingeführt und ihr neuestes sowie jüngstes Mitglied werden sollte. Tatsächlich würde

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