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Die Seelenquelle

Die Seelenquelle

Titel: Die Seelenquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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kleineren Wolf, der unterhalb von ihnen von einem Felsband aus die Herde beobachtete. Die Raubtiere verfolgten eindeutig die Bisons, belauerten sie und warteten auf eine Gelegenheit zu töten.
    Lautlos wie Schatten schlichen die Jäger von ihrem Aussichtspunkt fort und gingen weiter. Das Flusstal, das sich immer weiter westwärts gebogen hatte, begann sich nun nach Süden zu krümmen. Der Boden stieg weiterhin an; der Wald um sie herum wurde dichter und zu einem Wirrwarr aus Gestrüpp sowie eng beieinander wachsenden Bäumen, durch den kein klar zu erkennender Pfad führte. Sie kamen nur noch mühsam im Schneckentempo weiter. Die Gruppe zog sich auseinander, sodass es nur noch im Gänsemarsch voranging. Kit fiel immer weiter zurück und begann schließlich zu befürchten, er würde den Blickkontakt zu seinen Gefährten verlieren. Plötzlich blieb Dardok stehen. Die Jäger versammelten sich rasch um ihn herum, und Kit eilte vorwärts, um zu sehen, was passiert war. Als er sie erreichte, hockten sie alle im Schnee und waren von etwas, das sie dort sahen, in den Bann geschlagen.
    Kit, der über den Kopf eines Jägers spähte, erblickte im Schnee die Spuren eines großen und schweren Tiers. »Bär?«, fragte er. Dann erinnerte er sich an das Wort, dass der Clan für dieses Tier benutzte. »Gangor?« In seinem Bewusstsein erzeugte er das Bild von einem großen schwarzen Bär.
    Dardok schnaubte kraftvoll, was Kit als Verneinung zu deuten gelernt hatte. Großer Jäger spreizte seine Finger und legte sie in einen der Abdrücke. Anschließend hob er seine Hand und führte Bewegungen aus, als ob sie eine Tatze mit Krallen wäre. »Kar-ka« , sagte er laut.
    Kit hatte das Wort nie zuvor gehört. »Karka«, wiederholte er.
    Dardok gab ein zufriedenes Grunzen von sich und zeigte auf die Spuren – zuerst auf die eine, dann auf die nächste. Anschließend wies Großer Jäger mit der Spitze seines Speers auf einen langen schlitzartigen Einschnitt im Schnee, der sich zwischen zwei Spuren befand, und gestikulierte mit der flachen Hand. Die Gebärde war so ausdrucksstark, dass Kit sie nicht missverstehen konnte: ein Tier, das ging und dessen Schwanz ab und an durch den Schnee fegte.
    Erneut zeigte Dardok auf die Spuren. »Kar-ka.«
    In Kits Bewusstsein kam das Bild von einem großen zotteligen Tier von der Größe einer kleinen Kuh, das jedoch einen gewaltigen Kopf besaß, der von einem massigen Hals und muskulösen Schultern getragen wurde. Es hatte eine kurze Mähne, die sich um seine Kiefer kräuselte und in Form eines Kammes aus stacheligem dunklem Fell entlang seines schrägen Rückens verlief. Kit wusste sofort, um was es sich handelte, denn er hatte eines dieser Tiere zuvor schon gesehen: in einer anderen Zeit, an einem anderen Ort und an dem Ende einer Kette. Es war ein Höhlenlöwe – ein älterer Bruder der Bestie, die von den Burley-Männern Baby genannt wurde.
    »Karka«, hauchte Kit.
    Mit seiner breiten Hand wischte Dardok den Schwanzabdruck weg, erhob sich und setzte den Marsch fort. Bald kamen sie zu einer Stelle, wo der Fluss und die Schlucht einen weiten, sich auswölbenden Bogen machten und dann nach Norden verliefen. Das Tal unter ihnen wurde breiter und flacher; und die Fläche oben auf der Felswand, auf der sie gingen, begann abzufallen und neigte sich dem Talboden zu, etwa dreißig Yards vom Flussufer entfernt. Ein kleines Stück weiter fand Dardok einen Pfad und führte die Gruppe zum Talboden hinab. Dort hielt er an, um sorgfältig in der Luft zu schnuppern. Zufrieden stellte er fest, dass keine Raubtiere in der Nähe herumschlichen; dann leitete er sie um die Biegung des Flusses herum und schritt auf eine gewaltige Wand aus blassem Kalkstein zu. Erneut blieb er stehen und blickte um sich; er überflog die Gesteinsbrocken und hohen Felsabhänge ebenso wie das Flussufer. Danach bewegte er sich vorsichtig auf die Wand vor ihnen zu.
    Erst als sie dieser Mauer aus Felsgestein, die sich senkrecht aus dem Talboden erhob, näher gekommen waren, sah Kit das Loch. Es war ein leeres Oval mit einem Radius von wenigen Yards, das sich etwa drei Yards oberhalb des Talbodens befand: der Eingang zu einer Höhle. Unten an der Felswand lagen haufenweise herabgestürzte Gesteinsbrocken, auf die Dardok langsam zuschritt, bis er unterhalb des Lochs zum Stehen kam. Kit verspürte einen Schauder, als ob er einer Gefahr gewahr würde, und augenblicklich rückte die Gruppe ganz eng zusammen. Als Kit die nähere Umgebung absuchte,

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