Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seelenquelle

Die Seelenquelle

Titel: Die Seelenquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
Vom Netzwerk:
ließ den Stapel Silbermünzen in die Hand des Dieners fallen. »Belassen wir es dabei, dass dies eine Überraschung ist, nicht?«
    »Sehr wohl, Sir.« Der Pförtner steckte die Münzen in die Tasche. »Es ist oben der erste Raum auf der rechten Seite. Bitte, tun Sie sich keinen Zwang an und gehen Sie hoch, wann immer Sie wollen.«
    »Dann Guten Abend«, verabschiedete sich Burleigh.
    Der Pförtner zögerte. »Ich möchte nur noch erwähnen, Sir, dass er vielleicht jetzt gerade beim Abendessen im Speisesaal ist … das heißt, falls er es vorgezogen hat, früh zu essen. Die meisten jungen Männer machen das. Wenn Sie möchten, kann ich nach dem Gentleman schicken lassen.«
    »Es macht mir nichts aus zu warten«, entgegnete Burleigh und gab dem Mann mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er gehen sollte. »Wenn Charles nicht da ist, mach ich es mir bequem, bis er zurückkehrt.« Der Earl begann, die Treppe hochzusteigen. »Nochmals vielen Dank, Pförtner. Sie sind sehr hilfsbereit gewesen.«
    Als der Mann fortgegangen war, stieg Burleigh die Stufen hoch. Oben an der Treppe fand er zwei Türen. An einer von ihnen befand sich in einer eleganten Messinghalterung eine Visitenkarte, die anzeigte, dass der Bewohner tatsächlich ein gewisser Charles Flinders-Petrie war. Burleigh klopfte leise an, und als niemand darauf reagierte, versuchte er selbst, die Tür zu öffnen. Sie erwies sich als unverschlossen, und er trat ein. Er befand sich in einem großen rechteckigen Zimmer mit einem Fenster, von dem aus man die Christ-Church-Wiese überblickte und dahinter einen von Weiden gesäumten Streifen des Isis River, wie die Themse hier hieß. Auf der Wiese waren Kühe, die für die Nacht von einem Hirten mit Stab und einem Hund in Richtung Scheune getrieben wurden.
    Einen Augenblick lang stand Burleigh nur da und betrachtete das Innere. An jeder der beiden Seiten eines großen, offenen Kamins gab es einen großen, dick gepolsterten Ledersessel. Zwischen den beiden Sitzmöbeln befand sich ein kleiner, runder Tisch, auf dem ein Silbertablett mit einer Kristallkaraffe für Portwein und vier Gläsern war. An der Wand hing ein Bild, das ein ländliches Motiv zeigte, und aus einem unordentlichen Schrank quollen Kleidungsstücke hervor. An einem Garderobenständer neben dem Kleiderschrank hingen ein schwarzer Studententalar, eine Satinweste, ein langer Übermantel, zwei Hüte – der eine aus schwarzem Biberfell, der andere aus grauem Filz – und die unterschiedlich gestreiften Schals von mehreren Colleges; keiner davon trug jedoch die Farben von Christ Church. Eine Wand wurde von einem Bücherregal eingenommen, das vom Boden bis zur Decke reichte und zur Hälfte mit Büchern gefüllt war. Auf den unteren Brettern lagen Kleidungsstücke, ein Paar Schuhe, ein zerbeulter Strohhut, ein Kricketschläger, ein Ball und Handschuhe. Burleigh trat näher heran, um die Regale zu überfliegen; nach den Buchtiteln zu urteilen, behandelten die meisten Werke historische Themen. Auf den Büchern lag viel Staub.
    Das Bett, das auf der anderen Seite des Raums stand, war zwar gemacht worden, doch alles war zerknittert. Direkt daneben lag auf dem Boden ein kleiner Haufen Kleidungsstücke: eine Hose, ein Hemd, eine Weste und eine schwarze Krawatte. Auf einem Lesetisch am Fenster waren ein schmutziger Teller mit einer Käserinde und Brotkrümeln, ein leerer Becher mit Teeflecken und ein angebissener Apfel. Unter dem Tisch stand eine leere Weinflasche auf dem Boden. An einem der Haken an der Tür hing eine lederne Umhängetasche.
    Alles in allem war dies das Zimmer eines jungen Burschen, der darin wenig Zeit verbrachte – und noch weniger Zeit dem Studium widmete. Also ein mehr oder weniger typischer Student, befand Burleigh, als er ein letztes Mal seine Umgebung in sich aufnahm. Dann ließ er sich in einen der abgenutzten Ledersessel am Kamin nieder.
    Ganz allmählich wurde das Licht trüber, während die Nacht hereinbrach. Eine unangenehme Kühle schlich sich in den Raum; und Burleigh überlegte bereits, ob er nicht ein Feuer auf dem Kaminrost anzünden sollte, als er Stimmen auf der Treppe hörte. Im nächsten Moment gab es ein klickendes Geräusch am Griff der Tür, die sich sogleich öffnete; und ein junger Mann mit rotblondem Haar trat ein, der sich seine Dinnerjacke achtlos über die Schulter geworfen hatte. Er war groß, aber nicht schlaksig, und schlank, aber nicht hager. Seine Gesichtszüge waren regelmäßig und wohlgeformt, und man hätte sie

Weitere Kostenlose Bücher