Die Seelenquelle
einer Frau in einem langen, mehrfach gestaffelten Stufenrock, die zwei sich windende Schlangen hielt, und eine geschnittene Gemme, die einen Mann mit einem Lorbeerkranz darstellte. Es handelte sich in der Tat um genau die Art von Objekten, die gegenwärtig in Mode waren – Imitationen davon überfluteten gerade im Moment den Antiquitätenmarkt in ganz Europa.
Burleigh blickte zum Händler hoch. »Ja und?«
»Schauen Sie bitte genauer hin«, forderte Catchmole ihn mit einem Lächeln auf.
Der Earl, der die Schachtel auf seinen Knien balancierte, ergriff die Statue. Sie war ungefähr sechs Zoll hoch und mit akribischem Geschick bemalt worden: Die Augen der Frau waren groß und weit geöffnet, ihre dunklen, auf ausgeklügelte Weise geflochtenen Haare lagen in Schichten übereinander; und die Schlangen – sie hielt in jeder Hand eine – ringelten sich mit weit aufgerissenen Mäulern um ihre Arme. Die kleine Statue war zumeist grün bemalt; der lange, hochtaillierte Rock war blau-grün gestreift. Die Glasierung der Figurine entsprach einem hohen Standard.
»Ich sehe, was sie meinen«, sagte Burleigh leise. »Sechzehntes Jahrhundert vor Christus – die Votivfigur der minoischen Schlangengöttin. Außergewöhnlich gut erhalten. Sie sieht aus, als könnte sie erst gestern hergestellt worden sein. War es das?« Er hob seine Augenbrauen und schaute zum Händler auf, der lediglich auf das nächste Objekt zeigte.
Burleigh ergriff den Skarabäus. Er war aus einem einzigen makellosen Stück Lapislazuli von tiefstem Blau angefertigt worden. Die Bearbeitung des Steins war exquisit, die Hieroglyphen wirkten neu und sauber. Zudem gab es eine Kartusche, die den Namen Nebmaatra enthielt. An der Unterseite befand sich ein winziges eingeritztes Auge, das einen Stab und einen Dreschflegel überragte: Diese Bildsymbole stellten eine Signatur des Künstlers dar. Nachdenklich lenkte sich die Stirn Seiner Lordschaft in Falten.
»Neb-Ma’at-Ra«, sinnierte er; während er versuchte, den Namen einzuordnen, sprach er ihn laut aus. »Auf mein Wort«, keuchte er und schaute zu Catchmole auf, der ihn interessiert beobachtete. »Das ist aus der königlichen Werkstatt von Amenophis – von den Handwerkern des Pharaos.«
»Ich wusste, dass Sie beeindruckt sein würden«, gluckste Catchmole, nickte und lächelte. »Wenn irgendjemand Gold von Tand unterscheiden kann, dann Sie, Lord Burleigh.«
»Woher haben Sie diese Stücke?«, wollte Burleigh wissen. Er klappte den Deckel der Kiste zu. Sie war ein ganz gewöhnliches Behältnis aus Holz für eine mittelmäßige Zigarrensorte: ein geschmackloses Transportmittel für solch einen Schatz.
»Darf ich die Aufmerksamkeit Ihrer Lordschaft auf das verbliebene Stück lenken?«
Burleigh klappte den Deckel wieder auf und hob die winzige Steingemme heraus. Wie der Skarabäus war es ein elegantes, fein gearbeitetes Kunstwerk, allerdings aus einem tiefroten Karneol geschnitten. Es zeigte das Profil eines Mannes, der die Lorbeerblatt-Krone eines römischen Kaisers trug. Es gab keinerlei Zweifel, dass dieses Schmuckstück einst im Besitz eines antiken Bürgers von bedeutendem Reichtum und fraglos von großem Geschmack gewesen war. Auf der Rückseite befand sich eine Inschrift: G. J. C. A.
Burleigh starrte darauf. »Außergewöhnlich«, hauchte er. »Caesar Augustus?«
»Kein anderer; jedenfalls hat mir das Searle-Wilson gesagt. Unser ansässiger Experte versichert mir, dass es nicht mehr als ein Dutzend davon geben kann.«
»Ich vermute, da hat er recht.« Der Earl hielt die Gemme ins Licht. Damit ließe sich ein prächtiger Ring oder eine in Gold gefasste Brosche herstellen. »Woher haben Sie diese Stücke?«, fragte Burleigh erneut.
»Ich darf also annehmen, dass Ihr Interesse hinreichend geweckt worden ist?«, sagte Catchmole selbstgefällig.
»Sie sind echte Kunstwerke von höchster Qualität – natürlich bin ich interessiert. Doch ich muss wissen, wie Sie daran gekommen sind.«
»Was das anbelangt, ist mir gegenwärtig nicht gestattet, darüber etwas zu sagen«, erwiderte der Händler und nahm die Schachtel wieder in seinen Besitz. »Ich kann sagen, dass ich autorisiert bin, sie auf einer Auktion anzubieten.« Er hielt inne, und seine Augen richteten sich unwillkürlich auf die Tür, als ob er befürchtete, dass jemand ihn belauschte. Dann fragte er mit gesenkter Stimme: »Ich frage mich, ob wir vielleicht zu einer eher privaten Vereinbarung kommen könnten.«
»Ich will sie haben«,
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