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Die Seelenzauberin - 2

Die Seelenzauberin - 2

Titel: Die Seelenzauberin - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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seinem Vorhaben zu hindern, fuhr er fort, sich die Runen an der Innenseite des magischen Grabes in die Haut zu ritzen. »Nicht so tief«, flüsterte sie einmal. »Wenn Ihr zu viel Blut verliert, schafft Ihr es nicht bis nach Hause.« Aber er tat so, als höre er sie nicht. Die Selbstverstümmelung war ein Akt der Sühne, das Blut, das er vergoss, wusch ihn rein. Hin und wieder zuckte er zusammen, wenn das Messer sich in seinen Arm bohrte, doch der Schmerz schien ihm eine grausame Befriedigung zu bereiten. Er vereinte ihn mit den Menschen, die vor ihm hier gewesen waren, gelitten hatten und in den Tod gegangen waren, damit er und sein Volk leben konnten.
    Als er alles kopiert hatte, was zu kopieren war, half sie ihm, den Ärmel wieder herunterzurollen, und wickelte ihn fest um seinen Arm, um die Blutung zu stillen. Er unterstützte sie nicht, wehrte sich aber auch nicht, sondern duldete ihre Bemühungen in stoischem Schweigen. Als sie sich vorbeugte und eine Handvoll Ziegelscherben vom Boden aufhob, starrte er nur reglos ins Leere. Er stand unter Schock. Sie steckte die Probe in ihren Proviantbeutel, dann umfasste sie sanft mit beiden Händen sein Gesicht.
    »Rhys. Rhys.« Sie schüttelte ihn vorsichtig, bis seine Augen auf sie gerichtet waren. »Wir müssen jetzt gehen. Wir müssen nach Hause. Könnt Ihr laufen?«
    Er zögerte, dann nickte er.
    Sie half ihm beim Aufstehen. Half ihm, von der Säule herunterzusteigen. Zum Glück schien ihn der Schock vor den schlimmsten Auswirkungen des Heiligen Zorns zu bewahren, und ihr schien es zu helfen, dass sie sich um ihn bemühte. Oder der Einfluss wurde schwächer, weil sie den Rückzug antraten. Die Barriere richtete ihre Macht gegen Lebewesen, die sie überqueren wollten. Auf der Flucht hätten Kamala und Rhys die metaphysischen Ströme im Rücken.
    Stunden vergingen. Die Nacht brach herein. Rhys stolperte erschöpft und am Ende seiner Kräfte durch die Finsternis. Kamala, ebenfalls erschöpft und am Ende ihrer Kräfte, versuchte ihn zu führen.
    Irgendwann verklangen die Schreie, und damit schwand auch die Macht des Heiligen Zorns. Sie wussten nicht, wo sie waren – es kümmerte sie auch nicht –, sie legten sich einfach auf den felsigen Boden, schmiegten sich aneinander und fanden endlich wieder Schlaf.
    Glücklicherweise blieben sie von Träumen verschont.

Kapitel 15
    Etwas stimmte hier nicht.
    Colivar stand auf dem Hügel vor Sidereas Palast und suchte zu ergründen, woher sein Unbehagen wohl rührte. Alles schien, jedenfalls auf den ersten Blick, an seinem Platz zu sein. Die weißen Kolonnaden leuchteten wie an jedem Sommertag in der Sonne; vom Meer strich wie üblich der salzige Wind herauf; sogar das ferne Raunen menschlicher Geschäftigkeit weit unten im Hafen hatte den gleichen Ton und die gleiche Lautstärke wie immer. Nein, Auge und Ohr konnten nichts Außergewöhnliches feststellen.
    Woher also die Gewissheit, dass etwas in der Luft lag? Es war nur ein Gefühl, er witterte es wie ein Tier, ohne einen Namen dafür zu haben. Eine leise Unruhe, wie eine Bewegung aus dem Augenwinkel, die von vorne nicht zu sehen war. Solche Ahnungen waren ihm fremd, und da es auf dieser Welt kaum etwas gab – natürlich oder nicht –, was er noch nicht erlebt hatte, bestürzten sie ihn.
    Vielleicht lag es aber einfach nur daran, dass niemand zu seinem Empfang bereitstand. Er war es gewöhnt, dass ihm ein Diener entgegenlief, sobald er in Sicht kam, doch heute war niemand zu sehen, und das fand er merkwürdig. Offenbar erwartete Siderea keine unangemeldeten Besuche von Zauberern mehr – oder sie waren ihr nicht mehr willkommen. Er hätte es ihr nicht verdenken können. Die Magister hatten sie in letzter Zeit nicht sonderlich gut behandelt. Lazaroths Bemerkung über Würmer kam ihm in den Sinn.
    Nach einer Weile tauchte doch ein Diener auf. Der Mann empfing ihn nicht gerade mit überschwänglicher Begeisterung, aber doch angemessen respektvoll. »Magister Colivar.« Er verneigte sich tief. »Ihr wollt zu Ihrer Majestät?«
    »Wenn sie empfängt«, sagte er und ärgerte sich gleich darauf selbst für seine Äußerung. Ein Magister sollte sich niemals unterwürfig zeigen.
    »Selbstverständlich, mein Gebieter. Bitte folgt mir.«
    Der Diener führte Colivar in den Palast und bat ihn, in einem Empfangsraum zu warten. Auch das war neu; normalerweise ließ Siderea alles stehen und liegen, wenn ein Magister zu Besuch kam. Der Raum schien seit seinem letzten Aufenthalt hier

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