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Die Seelenzauberin - 2

Die Seelenzauberin - 2

Titel: Die Seelenzauberin - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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wahrhaftig ein Wunder.
    Dann hatten die Schreie begonnen.
    Ihre Tochter trug genau in dem Moment einen Kessel mit Eintopf an den Tisch; sie erschrak so heftig, dass sie stolperte, stürzte und den heißen Inhalt dem Jüngsten über die Beine kippte. Der wollte schon losbrüllen, doch Yosefa beugte sich vor und hielt ihm den Mund zu.
    In der Ferne schrien Männer. Auch Frauen. Es waren mehr geworden, die Stimmen wurden von Sekunde zu Sekunde lauter und schriller. Das klang nach blankem Entsetzen.
    Der Lärm kam offenbar vom Hafen her.
    Ihr Mann stand auf. Sein Blick wanderte zu dem schweren Hackmesser neben dem Feuer, und Yosefa begriff sofort, was er vorhatte. »Sorran …«, begann sie und streckte die Hand aus, um ihn aufzuhalten. Was immer da draußen vorging, sie wollte ihn nicht mittendrin sehen.
    Dann gesellte sich draußen eine hohe, verängstigte Kinderstimme zu den übrigen. Ein einziger Ton des Grauens, der die kindliche Lunge zu sprengen drohte und wie mit Fingernägeln auf einer Schiefertafel an ihren mütterlichen Nerven kratzte.
    Sie ließ die Hand sinken. »Geh«, sagte sie. Ihre Stimme bebte.
    »Sobald ich weiß, worum es geht, komme ich umgehend zurück. Versprochen.« Er ergriff das Hackmesser und einen schweren Stock, der neben der Tür lehnte. »Pass mir gut auf die Kinder auf.«
    Und dann war er fort.
    »Mama, was ist los?« Die Tochter zerrte an ihren Röcken. Der jüngste Sohn fing an zu weinen, man konnte darauf warten, dass der andere seinem Beispiel folgte.
    Sie mussten sich in Sicherheit bringen. An einem Ort, wo kein Feind sie finden konnte.
    »Hol eine Decke vom Bett«, befahl sie dem Mädchen. »Pack etwas zu essen hinein. Mach schnell!«
    Die Tochter rannte los. Sie war so verängstigt, dass sie sogar vergaß, ihre Frage zu wiederholen. Wie hätte Yosefa auch antworten sollen? Sie hatte ja selbst keine Ahnung. Sie wusste nur mit dem sicheren Instinkt einer Mutter, dass sie das Haus so schnell wie möglich verlassen mussten, bevor ihnen etwas Schreckliches zustieße.
    Sie kniete vor der Feuerstelle nieder und hob einen der flachen Steine an. Darunter befand sich ein kleiner Hohlraum, ihr geheimes Versteck. Es enthielt eine Handvoll Münzen und ein paar Schmuckstücke aus Silber. Brautschmuck zumeist, im Lauf der Zeit fleckig geworden; ein Teil ihrer Mitgift, die sie nicht verbraucht hatten. Sie hielt die Stücke für einen Moment in der Hand, dann schob sie alles in die Tasche. Viel war es nicht, aber es musste genügen.
    »Kommt«, befahl sie, nahm den Jüngsten auf den Arm und bedeutete ihrer Tochter, den anderen Jungen an die Hand zu nehmen. »Still jetzt«, ermahnte sie die beiden. »Hört auf zu weinen. Ihr müsst jetzt ganz ruhig sein, ihr seid doch meine tapferen Söhne.« Zu ihrem Erstaunen taten die Worte ihre Wirkung. Zumindest beruhigten sich die Jungen ein wenig und wimmerten nur noch leise. Sie verließ mit allen dreien das Haus.
    In der Stadt läutete jetzt tief und voll die Glocke, die sonst den Ältestenrat zusammenrief oder wichtige Besucher ankündigte. Diesmal sollte sie offenbar die Bewohner warnen. Aber wovor?
    »Kommt!«, drängte Yosefa flüsternd und strebte durch die schmalen Gassen nach Westen. Frauen und Kinder drängten sich in den Hauseingängen und spähten aus den Fenstern; hungrige, besorgte Gesichter schauten ihr entgegen, flehten stumm um Aufklärung. Ich weiß nicht mehr als ihr! , dachte sie in Panik. Warum flüchteten sie denn nicht auch? Wenn die Väter dieser Familien wie ihr Mann losgezogen waren, um dem Geschrei auf den Grund zu gehen, so wäre es ihnen doch bestimmt lieber, wenn ihre Frauen und Kinder in den Bergen in Sicherheit wären, anstatt sich in dem Irrglauben, die Lehmwände könnten ihnen Schutz bieten, an ihre Häuser zu klammern.
    Im Hafen war es ruhiger geworden – ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Sie fürchtete das Schlimmste. Endlich folgten doch ein paar Frauen ihrem Beispiel und zerrten verängstigte Kinder hinter sich her. Zu wenige, viel zu wenige! Was war mit all den anderen? Spürten sie denn nicht, dass Gefahr in der Luft lag?
    Dann drang mitten aus der Stadt ein markerschütternder Schrei an ihre Ohren. Eine Frauenstimme diesmal, und nicht sehr weit weg. Yosefa begann zu laufen und zerrte ihre verschreckten Kinder hinter sich her. Ein etwas älteres Mädchen, das sich dem Zug angeschlossen hatte, nahm ihren zweiten Sohn auf den Arm, damit sie alle schneller vorankämen, und schloss zu ihr auf. Yosefa war so außer

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