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Die Seelenzauberin - 2

Die Seelenzauberin - 2

Titel: Die Seelenzauberin - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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nicht gefasst. Für sie hatte er sich nur eine wertvolle Botschaft ins Fleisch geritzt, weil kein anderes, kein unblutiges Schreibzeug zur Hand gewesen war. Ein begrenztes Opfer für einen bestimmten Zweck, grausig, aber nachvollziehbar. Nur sie verstand, dass mehr dahintersteckte und dass er in seiner blinden Verzweiflung eine Dummheit begehen könnte.
    Und sie hatte natürlich recht. Wäre er allein erwacht, nur mit seinen Erinnerungen als Gesellschaft, vielleicht wäre manches anders verlaufen.
    Nun stehe ich noch mehr in deiner Schuld , dachte er nüchtern.
    Man hatte sie in ein Frauengewand gesteckt, aber er sah, dass sie sich darin nicht gerade wohlfühlte. Immer wieder wanderten ihre Hände wie von selbst an ihr herunter und zupften daran. Dabei war die Tracht eher schlicht, ein safranfarbenes Kleid, das sich eng an ihren Körper schmiegte, und darüber ein ärmelloser Überwurf aus burgunderfarbener Wolle. Der Überwurf war an beiden Seiten derart lose geschnürt, dass der Stoff des Kleides hervorlugte und auch kurze Blicke auf weibliche Formen gestattete. Beide Sachen waren ein wenig zu kurz, sodass ihr der Saum bei jedem Schritt um die Knöchel flatterte. Rhys wunderte sich zunächst, dass die Erzprotektorin nichts Passenderes hatte finden können, aber nein, wahrscheinlich hatte Kamala selbst diese Auswahl getroffen. Sie wäre mit all den mondänen Kleidungsstücken, die eine Dame normalerweise hinter sich herzog und die erforderten, dass man nicht ging , sondern schwebte , kaum zurechtgekommen. Diese Tracht war einigermaßen praktisch.
    Jemand hatte ihr einen Schleier verpasst, einen Vorhang aus dünnem weißem Tüll, der vermutlich weich um ihr Gesicht fallen und ihr kurz geschorenes Haar hätte verbergen sollen. Nur verfehlte er diesen Zweck vollkommen, denn sie hatte ihn so weit nach hinten geschoben, dass er nur noch von einer einzigen Haarnadel gehalten wurde. Allerdings wirkte er gerade durch diese Nachlässigkeit besonders reizvoll, dachte er. Genau wie sie selbst.
    Sie musste gespürt haben, wie er sie musterte, denn sie zog ihre Röcke seitlich auseinander, wie um sich in Pose zu setzen. Die Geste war so unnatürlich, dass sie fast wie eine Parodie erschien, eine beißende Karikatur auf weibliche Verhaltensweisen. »Man hielt das wohl für angemessener als eine Soldatenuniform.« Ein ironisches Lächeln spielte um ihre Lippen. »Oder ein schmutziges Männerhemd.«
    Eine Woge der Dankbarkeit erfüllte sein Herz. Wenn sie nicht gewesen wäre, säße er noch immer in Anukyats Verlies. »Du wirst für mich niemals schöner sein als in dem Moment, als du dort auftauchtest«, erklärte er ihr. »Mitsamt dem schmutzigen Männerhemd.«
    Sie war sichtlich erschüttert. Seltsam. Er hatte noch nie erlebt, dass eine Frau von einem Kompliment so überrascht war, obwohl viele aus Koketterie so taten. »Ich werde melden, dass du wach bist«, sagte sie leise und schlüpfte aus der Tür. Ihr Gesicht verriet ihm nicht, ob es ihr leidtat, ihn nach einem solchen Gespräch verlassen zu müssen, oder ob sie froh war, eine Ausrede zu haben. Vielleicht beides.
    Mit einem Seufzer stieß er die Decken von sich und schwang die Füße über die Bettkante. Wo die Wunden gewesen waren, pochte es dumpf in Arm und Bein, aber es war mehr Erinnerung als echter Schmerz. Ihre Hexenkünste hatten alle inneren und äußeren Schäden restlos getilgt. Auch schien sie den Schmutz von seiner Haut entfernt zu haben. Oder jemand hatte ihn im Schlaf gebadet.
    Wenn sie nicht wäre , dachte er, säße ich immer noch in Anukyats Verlies.
    Dann hätte er den Speer nicht aufgesucht.
    Und er hätte die Wahrheit nicht erfahren.
    So machen sich die Götter einen Spaß daraus, uns Seelenqualen zu bereiten.
    Er griff nach den Kleidern, die man für ihn bereitgelegt hatte, und bemühte sich, an nichts anderes zu denken als daran, sie anzuziehen. Aber es fiel ihm schwer, nicht auf die seltsamen Zeichen zu starren, die er sich in den Arm geritzt hatte, oder sich nicht den Kopf zu zerbrechen, was in allen Höllen er dem Erzprotektor sagen sollte, wenn dieser ihn schließlich dazu befragte.

    Zauberei im Palast.
    Diese Warnung hatte Stevan Keirdwyns Seher geschickt.
    Nicht Hexerei . Nicht einmal eine verschwommene Umschreibung wie Macht , ein Wort, das vieles bedeuten konnte.
    Nein – Zauberei.
    Rhys’ Hexe musste demnach einen Magister als Patron haben, der sie und Rhys in den Palast befördert hatte. Aus persönlichen Gründen oder weil er ihr einen

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