Die Seelenzauberin - 2
keinen anderen Weg. Und keinen Kandidaten, der geeigneter wäre als ich.«
»Soweit wir bisher wissen. Vielleicht finden sich noch andere.«
»Die Zeit drängt. Das habt Ihr selbst gesagt.«
Er schüttelte den Kopf. »Ihr wisst, dass ich nicht mit Euch gehen kann. Nicht an diesen Ort. So dicht am Heiligen Zorn wirken keine Zauberkräfte. Und sobald Ihr im Einflussbereich seiner Macht seid, kann ich Euch auch aus der Entfernung nicht schützen. Was aus dem Zauber würde, bis er Euch erreichte, ist völlig unklar. Wir können das Risiko nicht eingehen.«
Sie sagte ganz ruhig: »Ja, ich verstehe.«
Mit einem tiefen Seufzer griff er nach ihrer Hand und hielt sie fest. Das war so ungewohnt, dass sie sich überrascht umdrehte und ihn ansah. »Aber ich kann Euch stärker machen«, sagte er. »Kraft ist abhängig von der Form, und ich kann Eure Form verändern. Auch Eure Wahrnehmungsfähigkeit kann ich verstärken, und ich kann sogar Eure Ausdauer erhöhen, denn auch sie ist eine körperliche Eigenschaft. Aber Ihr müsst wissen, dass jede Veränderung, die ich an Eurem Körper vornehme, ein neues Risiko in sich birgt. Eure Gliedmaßen könnten Euch nicht mehr so gehorchen, wie Ihr es gewöhnt seid. Die Welt könnte anders aussehen, sich anders anhören. So etwas sorgt für Verwirrung. Unter normalen Umständen würde das keine allzu große Rolle spielen, denn Ihr würdet Euch mit der Zeit daran gewöhnen. Aber wenn man Hunderte von Metern über dem Boden an einer Felswand hängt, von Feinden umringt … ist es gefährlich.«
»Aber nicht weniger gefährlich als körperliche Schwäche, denke ich.« Sie nickte sachlich. »Eure Einschätzung schmerzt mich, aber sie ist durchaus zutreffend. Ich habe meine körperlichen Fähigkeiten schon sehr lange nicht mehr beansprucht, außer um Kinder zu gebären.« Plötzlich spürte sie ein Flattern und legte überrascht die Hand auf ihren Leib. War es möglich, dass ihr Kind sich regte? Dafür war es doch gewiss noch zu früh.
»Mein Sohn …«
»Er wird keinen Schaden nehmen«, versprach der Magister. Aber sein Ton deutete auf unausgesprochene Vorbehalte hin. Ihre Schwangerschaft beunruhigte ihn offensichtlich mehr, als er zuzugeben bereit war. Machte er sich lediglich Sorgen darüber, wie sie ihren Körper beanspruchen und sie in einem kritischen Moment ablenken könnte? Oder dachte er an die Weissagung, die er einst abgegeben hatte, als er die Zukunft des Kindes las?
Er wird kein Held sein, aber er wird mithelfen, einen Helden erstehen zu lassen. Seine Kraft wird nie gemessen werden, aber er wird die Kräfte der anderen auf die Probe stellen. Er wird dem Tod dienen, ohne ihn selbst zu sehen, er wird das Schicksal der Welt verändern, ohne sich dessen bewusst zu sein, und er wird Opfer fordern, ohne es zu erkennen.
Gwynofar war mit alledem zunächst überfordert; sie glaubte, all dies nicht verarbeiten zu können, ohne dabei den Verstand zu verlieren.
Sie drückte dem Magister auf eine Weise, die hoffentlich Zuversicht ausdrückte, die Hand und zwang sich zu einem Lächeln. »Dann gebt mir die Kraft eines Mannes, wenn Ihr könnt, Ramirus. Und dazu die Ausdauer eines Mannes. Ich denke, auf diese beiden Eigenschaften wird es am meisten ankommen. Der Rest … der Rest ist das zusätzliche Risiko nicht wert.«
Er erfüllte ihr die Bitte. Wirkte Zauber, die wichtige Muskeln in Feuer verwandelten, und formte sie dann wie ein Bildhauer den Ton. Goss flüssige Magie in ihr Herz, bis ihr Körper sie aufnahm und Schlag um Schlag in ihre Adern und Muskeln pumpte, sodass sie unter der Wucht erzitterte und ihr die Tränen in die Augen traten.
Aber ihrem Kind würde es nicht schaden. Das versprach er ihr, bevor sie begannen.
Nun, alles andere ließ sich ertragen.
»Du brauchst nicht mitzukommen«, sagte Rhys leise.
Er stand mit dem Rücken zum Fenster seines Schlafgemachs, und das Mondlicht umgab seine Schultern wie mit einem goldenen Nimbus. Sein helles Haar leuchtete wie flüssiges Feuer, und er sah aus wie einer der Engel, von denen Kamalas Mutter ihrer Tochter erzählt hatte, Wesen, die an einem Ort von vollkommener Schönheit lebten. Artige Kinder könnten eines Tages dorthin gelangen, hatte ihre Mutter gesagt, dann dürften sie zwischen den Wolken spielen und Süßigkeiten aus Sonnenschein naschen.
Hohle Phantastereien. Schon damals hatte sie nicht daran geglaubt.
Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Glaubst du wirklich, du solltest ohne mich zur Zitadelle ziehen? Erinnere
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