Die Seelenzauberin - 2
Zeiten, Colivar? Nicht so wie andere Menschen aus den Liedern der Spielleute und aus verstaubten Folianten, sondern aus … persönlichem Erleben?«
Colivar zog hörbar die Luft ein. »Zur Zeit des Ersten Königtums gab es keine Magister. Das weißt du so gut wie ich, Ramirus. Die letzten Seelenfresser waren längst verschwunden, als die Ersten von uns auf der Welt erschienen.«
»Ganz recht. Aber man hört von verschiedenen Seiten, du wüsstest mehr als jeder lebende Mensch über diese Kreaturen. Mehr als ein lebender Mensch wissen dürfte. Wie kommt das?«
Colivar zuckte die Achseln. »Vielleicht bin ich einfach schon so alt, dass ich in einer Zeit gelebt habe, in der die Erinnerungen der Menschen noch frischer waren.«
»Und vielleicht bin ich noch so weit bei Verstand, um zu erkennen, dass das – wie war der charmante Ausdruck, den du einmal verwendet hast – Kamelmist ist.«
»Was also folgt daraus?« Colivars Augen waren schmal geworden. »Bin ich in Wirklichkeit kein Magister, sondern ein Überbleibsel aus der Zeit vor dem Großen Krieg? Willst du das damit sagen?« Er breitete mit großer Geste die Arme aus. »Dann stelle mich auf die Probe. Prüfe das magische Band, das mich mit meinem Konjunkten verbindet. Überzeuge dich selbst davon, was ich bin.«
Es war ein wahnwitziges Angebot, aber für einen Moment glaubte Colivar, Ramirus würde ihn tatsächlich beim Wort nehmen. Auf jeden Fall sprühte bei dem Vorschlag ein Funke in den Augen des weißhaarigen Magisters auf. Wenn Colivar wirklich bereit wäre, sich einer solchen Untersuchung zu stellen, dann könnte man die Gelegenheit doch nützen, ohne in die Konjunktenbindung hineingezogen und davon verschlungen zu werden. Der Gedanke war verführerisch.
Colivar überlief ein Schauer, und er machte sich auf einen Angriff gefasst. Ein offenes Kräftemessen zwischen zwei so alten und mächtigen Magistern war eine Seltenheit, und seltene Erlebnisse sollte man auskosten … selbst wenn sie mit Gefahren verbunden waren. Doch der Augenblick ging rasch vorüber.
»Ich weiß, was du bist, denn ich weiß, wie sich deine Zauberei anfühlt«, versicherte ihm Ramirus. »Oder dachtest du, ich hätte all die Hürden da draußen nur zu meiner Unterhaltung errichtet? Deine Macht ist so kalt wie ein Dämonenschwanz.«
Colivar lachte leise. »Jetzt schmeichelst du mir.«
»Wohl kaum.« Wieder lehnte sich Ramirus in seinem Sessel zurück. »Der Tag wird kommen, an dem wir zusammenarbeiten müssen. Wir alle , Colivar. Sonst könnte diese Welt den abscheulichen Kreaturen ein weiteres Mal in die Hände fallen.«
»Und das wäre ihr Untergang«, gab der andere zurück. »Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass wir Magister das Opfer bringen, das zu ihrer Rettung erforderlich wäre.«
»Vielleicht wäre diesmal gar kein Opfer vonnöten. Vielleicht bräuchten wir nur unsere Geschichte besser zu kennen, um einen besseren Weg zu finden.«
Colivar schmunzelte und erhob sich. »Noch hast du nichts in der Hand, womit du alle meine Geheimnisse kaufen könntest, Ramirus. Doch dein Interesse ehrt mich.« Er nickte dem anderen respektvoll zu. »Aber nun musst du mich entschuldigen, ich habe noch einige Vorbereitungen zu treffen, bevor sich Salvator die Krone aufsetzt. Es gibt viel zu tun.« Er lächelte. »Das verstehst du doch sicherlich.«
Auch Ramirus stand auf und ging sogar so weit, seinen Gast bis zur Eingangstür zu begleiten. Eine ungewohnt respektvolle Geste. Manchmal förderte der Austausch von Wissen seine bessere Seite zutage.
»Du solltest wirklich zu Salvators Krönung kommen«, bemerkte Colivar beim Gehen. »Es könnte das größte Treffen unserer Zunft seit der Nacht von Andovans Selbstmord werden.« Und diese Nacht hast du nicht vergessen, nicht wahr? Die Nacht, als Danton dich vor uns allen gedemütigt hat! »Schon werden unter den Magistern Wetten abgeschlossen, welcher Feind ihn niederstrecken wird, sobald die Krone sein Haupt berührt. Und wenn man bedenkt, dass diese Katastrophe mit so wenigen Worten zu verhindern wäre – der Name eines Magisters, der seine schützende Hand über ihn hält, würde genügen –, aber das lässt der Stolz der Aurelius nicht zu. Oder der Stolz der Büßermönche. Was für eine abartige Religion.« Er schüttelte den Kopf. »Alle Morati sind töricht. Ich setze übrigens auf Corialanus. Und darauf, dass Salvator die ersten vierundzwanzig Stunden nach dem Aufsetzen der Krone nicht überlebt.« Er neigte leicht den Kopf.
Weitere Kostenlose Bücher