Die Seelenzauberin - 2
»Betrachte diese Auskunft als Geschenk von mir.«
»Du bist zu gütig.« Ramirus verzog keine Miene – sein Blick war unergründlich –, aber sein Tonfall triefte vor Ironie. »Ich werde deinen Rat so beherzigen, wie er es verdient.« Er deutete mit der Hand auf die Tür, welche sich daraufhin langsam öffnete. »Und tu mir den Gefallen und schone nach Möglichkeit mein Eigentum, wenn du mein Anwesen verlässt. Ich würde dir nur ungern eine Rechnung schicken.«
Soso. Und was kostet heutzutage ein Ungeheuer mit drei Köpfen? »Ich werde mir Mühe geben«, versprach Colivar. »Vorausgesetzt natürlich, dass sich mir dein Eigentum nicht wieder in den Weg stellt.«
»Es wird dich sicherlich nicht hindern, dich zu entfernen«, versprach Ramirus, und in seinen Augen glomm ein kalter Funke der Belustigung auf. »Ich kann dir versichern, dass meine Zauberei dich niemals daran hindern wird, dich zu entfernen.«
Dennoch kehrte er erst in seine behagliche Bibliothek zurück, um im Schein der Lampen seine Forschungen fortzusetzen, als er seinen Besucher unter dem Geheul der Dämonenhunde über den verzauberten Wald fliegen sah.
Kapitel 5
Noch vor einem Monat wäre die Königin von Sankara mit dem Erfolg ihres Festes hoch zufrieden gewesen.
In ihrer prächtigen Vorhalle waren die Herrscher aller sechsundzwanzig Freien Lande mitsamt ihren Ehepartnern, Ratgebern und in einigen Fällen auch den Kurtisanen versammelt, die sie auf ihrer Reise begleitet hatten. Diener in wallenden Seidengewändern glitten lautlos und behände zwischen den Gästen hin und her und offerierten ihnen auf Silberplatten die kostspieligsten Leckereien der Region: frische Pfauenherzen, marinierte Lerchenzungen und mit feinen Blattgoldspänen bestreutes Dattelkonfekt. Im Hintergrund spielte leise Musik – eine sinnliche Melodie aus den Wüsten des Südens –, und ein zarter Hauch von Weihrauch, sorgfältig so gewählt, dass er die gerade besonders beliebten Düfte ergänzte, durchzog die Luft.
Hatte es zunächst noch Zweifel gegeben, ob Sankara der passende Ort für eine Zusammenkunft des Großen Rates sei, so waren diese längst entkräftet. Andere Fürsten konnten den Führern der Freien Lande zwar Konferenzräume für die Erörterung politischer Fragen bieten, aber wer wäre sonst imstande gewesen, im Anschluss an die Gespräche ein Fest wie dieses auszurichten?
»Was für eine hinreißende Gesellschaft«, schwärmte der Herzog von Surilla. Er hatte unter den Dienern einen jungen Mann gefunden, der ihm gefiel, und stopfte sich schon seit einer Stunde mit allen Köstlichkeiten voll, die der Junge servierte, um ihn an seiner Seite zu halten. Andere Gastgeber hätten dem Herzog einfach versprochen, ihm den Jungen später in sein Schlafgemach zu schicken, und wären auf diese Lösung auch noch stolz gewesen. Dummköpfe! Genuss war mehr als nur gestillter Hunger, Genuss war ein Festmahl mit vielen Gängen, und die Verführung war lediglich die Vorspeise. Deshalb musste sich der arme Herzog durch die Frage stammeln, ob der Junge am späteren Abend, äh, frei wäre, um seine Wünsche zu erfüllen. Deshalb musste ihm Siderea erklären, ihre Diener hätten die Freiheit, zu tun, was ihnen beliebte, und deshalb würde sich der Junge zu später Stunde nur dann mit ihm treffen, wenn es ihm beliebte. Und deshalb musste sich der Herzog jedes Mal, wenn sein Blut aufs Neue in Wallung geriet, mit Fragen und Bedenken herumschlagen, er musste so lange von diesem einen Tablett essen, bis sein Magen nichts mehr zu fassen vermochte, er musste dem Jungen schmeicheln, ihn umwerben und sich den erwünschten Abschluss des Abends womöglich noch mit einem kostbaren Geschenk erkaufen. Und das war gut so. Sidereas Diener hatten viel Erfahrung mit solchen Spielen und genossen es sehr, ihre Gäste zu manipulieren. Warum auch nicht? Der Junge durfte alle Geschenke behalten, die dabei abfielen, und der Herzog konnte sich der Illusion hingeben, eine Eroberung gemacht zu haben. Viel befriedigender, als wenn sie ihm einfach die Wahrheit gesagt hätte – dass sich nämlich ihre Diener selbstverständlich seiner geschlechtlichen Bedürfnisse annehmen würden. Was wäre sie denn sonst für eine Gastgeberin gewesen?
Ja, nach allen gängigen Regeln war es eine überaus erfolgreiche Veranstaltung.
Doch während ihre Gäste lachten und schäkerten und sie selbst mit einem Becher Wein in der Hand und einem Lächeln auf den Lippen die Runde machte, das jeden Anwesenden davon
Weitere Kostenlose Bücher