Die Seelenzauberin - 2
Meister Cresel? Ich habe das Spiel begriffen.«
»Ihr könnt damit rechnen, dass jedes Adelsgeschlecht mit einer heiratsfähigen Tochter Euch diese im Laufe des Besuches wird vorstellen wollen. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass Ihr Euch bei all diesen Begegnungen so neutral wie möglich verhalten solltet. Ein unvorsichtiger Blick in Richtung eines Mädchens wird von den Klatschmäulern binnen einer Stunde in einen Heiratsantrag umgemünzt. Und das kann Euch ebenso sehr in Schwierigkeiten bringen, als wäre der Antrag wirklich erfolgt.« Er lächelte trocken und reichte Salvator eine Ledermappe. »Ich habe Berichte über die Kandidatinnen zusammengestellt, die Eurer Aufmerksamkeit würdig sind … und einige Warnungen diejenigen betreffend, für die das nicht gilt.«
»Und was ratet Ihr mir?«, fragte Salvator. »In Bezug auf die Eheanbahnung?«
Cresel zögerte. Man sah ihm an, dass er nicht gewöhnt war, um solche Ratschläge gebeten zu werden. »Ich würde empfehlen, noch zu warten«, sagte er endlich. »Weder Verbündete noch Feinde wissen bisher, was sie von Euch zu halten haben. Solange ein Mann glaubt, ein Mädchen aus seiner Sippe könnte Eure Gunst gewinnen, muss er darauf achten, dass die Tür offen bleibt. Sobald Ihr auf diesem Gebiet eine Entscheidung trefft – oder auch nur den Anschein erweckt, einer bestimmten Entscheidung zuzuneigen –, ist er dazu nicht mehr verpflichtet. Lasst ihnen also vorerst ihre Träume und wägt die Möglichkeiten ab. Und versucht Euch …« Er stockte, suchte verlegen nach dem richtigen Wort. »… von ihren Reizen nicht allzu sehr beeindrucken zu lassen.«
Salvator sah ihn scharf an. »Wisst Ihr, was mein Vater tat, Meister Cresel, als ich ihm meinen Entschluss mitteilte, in ein Kloster einzutreten? Er bestellte eine Hure, um mich in der Liebe unterweisen zu lassen. Einen ganzen Schwarm von Huren, um genau zu sein. Einige derb und handfest, andere elegant und kultiviert, die ganze Bandbreite weiblicher Reize. Ich sollte das Weib in allen seinen Verkleidungen erleben, bevor ich solchen Freuden für immer entsagte.« Er zuckte die Achseln. »Er hoffte natürlich, nach einer oder zwei Nächten hemmungsloser Ausschweifungen hätte ich nicht mehr den Mut, meine Pläne weiterzuverfolgen. Leider kannte er den Glauben der Büßer nicht gut genug, um zu begreifen, dass er mein Opfer damit sogar aufgewertet und meine Entschlossenheit noch beflügelt hatte.« Der Stuhl knarrte, als er sich zurücklehnte. »Die Pointe dieser Geschichte ist, Meister Cresel, dass ich zwar seit vier Jahren auf die derberen Freuden dieser Welt verzichte, dies aber nicht heißt, dass ich nicht um ihre Zugkraft wüsste. Ganz im Gegenteil. Ich kann Euch versichern, dass ich weder Leidenschaft noch politisches Bündnisinteresse mit Liebe verwechseln werde. Ich weiß, dass Entscheidungen, die in der Hitze einer Liebesnacht getroffen werden, selten einer Überprüfung bei Tageslicht standhalten. Also fürchtet nicht, meine Unschuld würde mich auf Abwege führen. Ich bin gerade für diesen Feind besser gerüstet als die meisten meiner Mitmenschen.«
Er griff nach der Gästeliste, die Cresel zusammengestellt hatte, überflog sie und nickte beifällig. Er hatte in den letzten Tagen alle bedeutenden Geschlechter und Adelshäuser studiert und stellte zufrieden fest, dass ihm die meisten Namen vertraut waren.
Doch dann stieß er auf einen, der ihn überraschte. Er zog eine Augenbraue hoch und schaute zu Cresel auf. »Siderea Aminestas?«
»Richtig, Sire. Man nennt sie auch die Hexenkönigin.«
»Das ist mir bekannt. Aber wieso steht sie auf der Liste?«
»Weil sie die mächtigste Monarchin in den Freien Landen ist. Wenn wir sie unter Euren Einfluss brächten, wäre nicht nur der Zugang zu den Schifffahrtswegen des Südens gewährleistet, Corialanus müsste sich auch zwei Mal überlegen, ob es Euch herausfordern will. Es könnte schließlich passieren, dass es sich an zwei Grenzen gleichzeitig zu verteidigen hätte.«
»Ihr setzt voraus, dass sie an einer solchen Beziehung interessiert ist. Ich erinnere mich aber, dass sie für meinen Vater ein Stachel im Fleisch war. In seinen Augen war sie schuld daran, dass sich die Freien Lande zusammenschlossen und gegen ihn stellten.«
»Ihre Vertreter haben Interesse bekundet. Nicht ausdrücklich natürlich, aber hinter den Kulissen setzen sie schon seit Längerem alle Hebel in Bewegung, um ihr diese Einladung zu verschaffen. Was bedeutet, dass Euch vermutlich
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