Die Seemannsbraut
würde. Doch es überstieg seine Vorstellungskraft. Vielleicht würde es überhaupt keinen Brief mehr geben? Schreckliche Angst überfiel ihn, er hob den Blick zu den Wolken über Bolithos Flagge und begriff: Er ging dem Tod entgegen.
Fähnrich Springett, der jüngste an Bord, trat blinzelnd ins Helle.
Seine Gefechtsstation war im halbdunklen unteren Batteriedeck, von wo er Meldungen zum Achterdeck zu bringen hatte. Bolitho sah, wie er sich umschaute, und achtete auf seinen Gesichtsausdruck, als er den Feind erblickte, wahrscheinlich zum erstenmal in seinem Leben. In diesem Augenblick verloren seine Uniform und der blinkende Dolch an seinem Gürtel völlig an Bedeutung. Er biß auf seine Fingerknöchel, als ob er einen Schreckensschrei zurückhalten müsse. Plötzlich war er wieder ein Kind.
Jenour ging zu ihm. »Mr. Springett, Sie könnten mir heute helfen.« Er deutete auf die beiden Signalfähnriche, auf Furnival, den Senior, und Mirrielees mit den roten Haaren und einem Gesicht voller Sommersprossen. »Die alten Männer da sind nicht mehr ganz auf der Höhe.« Die beiden Erwähnten stießen sich grinsend in die Rippen; es war alles ein großer Witz.
Der Junge starrte sie wie hypnotisiert an. Er flüsterte: »Danke, Sir«, und übergab ein Stück Papier. »Mit Mr. Mansforths Respekt, Sir.« Er drehte sich wieder um und trottete davon, ohne auch nur einen Blick auf die imposanten Segelpyramiden rundum zu werfen.
Keen sagte leise: »Der Flaggleutnant hat den Jungen davor bewahrt, in Tränen auszubrechen.«
Bolitho sah auf der
San Mateo
weitere Flaggensignale auswehen und dachte, daß Jenour selbst vermutlich auch nicht weit davon entfernt gewesen war.
Übers Wasser drang das dumpfe Rumpeln schwerer Geschützlafetten. Den wartenden Seeleuten entrang sich so etwas wie ein Aufseufzen, als dunkle Schatten über das hohe Freibord der
San Mateo
liefen. Alle Kanonen ihrer Backbordseite waren nun ausgefahren. Es war, als schauten sie einem Drachen ins offene Maul.
Das Geschmetter einer Trompete ertönte. Bolitho stellte sich die feindlichen Kanoniere vor, wie sie über ihre Rohre das Ziel auffaßten, während die nächsten Ladungen Pulver und Kugeln schon bereitlagen. »Heißt
Benbows
Nummer! Ich wage nicht noch viel länger zu warten, Val.«
Während man die Flaggleinen bestückte, achtete Bolitho auf die beiden konvergierenden Reihen, deren Kurse in einer Pfeilspitze zusammenliefen.
Ein dumpfer Knall – und von der Bordwand der
San Mateo
löste sich ein Rauchwölkchen. Die Kugel schlug aufs Wasser, prallte ab und flog weiter, eine zerfetzte Gischtfeder aufwerfend. Ein die Reichweite testender Schuß? Oder wollte man lediglich die spanischen Seeleute aufmuntern, während sie – wie die der
Hyperion –
in quälender Spannung warteten?
»Benbow
hat verstanden, Sir!«
So wenig Signale wie möglich. Bolitho hatte dies im Prinzip immer für gute Taktik gehalten. Einem Gegner fiel es nicht schwer, aus den Signalen des anderen den nächsten Schritt zu erahnen. Zudem war es möglich, daß die Prise
Intrepido
den Spaniern mit einem noch gültigen Signalbuch in die Hände gefallen war. Als der arme Kapitän Price sein Schiff auf Grund gesetzt hatte, konnte er sich diese Situation kaum ausgemalt haben.
Bolitho wandte sich an Keen und seinen Ersten. »Wir gehen nacheinander über Stag.
Hyperion
und
Benbow
führen die beiden Reihen an.« Sie nickten. Parris sah ihm auf den Mund, als wolle er einen tieferen Sinn herauslesen. »Damit kommen wir so hoch an den Wind, wie sie es eben noch verträgt. Das wird unsere Fahrt verringern.«
Wieder hatten sie verstanden. Es konnte nämlich bedeuten, daß der Feind mehr Zeit fand, seine Kanonen auf sie zu richten. Bolitho ging zur Steuerbordseite und stellte sich auf die Lafette eines Neunpfünders. Mit einer Hand stützte er sich auf die bloße Schulter des einen Kanoniers.
Er konnte die Masten der
Benbow
hinter den anderen erkennen.
Herricks Flagge flatterte vom Besan.
Benbow
hatte noch den Bestätigungswimpel stehen, ebenso wie
Hyperion
ihre Nummer vorgeheißt ließ: wie eine Trompete, die lautlos zur Attacke blies. Eine Attacke, die nun nicht mehr aufzuhalten war. Bolitho fühlte, wie sich die Schulter des Mannes spannte, als er zu ihm hochsah. Er blickte in sein Gesicht; um die achtzehn herum. Ein Gesicht, wie man es auf den Farmen und Landstraßen von Cornwall fand. Nur nicht in Kriegszeiten.
»Naylor, hab’ ich recht?«
Der Kanonier grinste, während seine Kameraden
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