Die Seemannsbraut
zurückgeschlagen, hätten wir den Vorteil der Überraschung vertan. Der König von Spanien verliert lieber eine ganze Flotte als sein Gold. Nein, ich bin noch nicht überzeugt.«
Bolitho blieb eigenartig ruhig und zuversichtlich. In seiner Vorstellung gewann der verschwommene Plan plötzlich Substanz wie eine Küste im Morgendunst. Der Krieg auf See war immer ein Risiko. Er verlangte mehr als Geschick und Mut, es brauchte dazu, was sein Freund Thomas Herrick als die Hand Fortunas umschrieben hätte. Aber war er nach allem noch sein Freund?
»Ich bin bereit, es darauf ankommen zu lassen, Mylord.« Somervell fuhr herum. »Ich aber nicht. Hier steht mehr als Ihr Ruhm auf dem Spiel – es geht um einen hohen Einsatz.«
»Daran habe ich nie gezweifelt, Mylord.«
Sie sahen einander an, als suchten sie ihre Absichten zu erraten. Somervell sagte unvermittelt: »Als ich an diesen verdammten Ort kam, bildete ich mir ein, man würde mir einen erfahrenen und tapferen Kapitän schicken, um eine Schatzgaleone aufzuspüren und zu kapern.« Es hörte sich an, als spucke er die Worte aus.
»Dann wurde mir mitgeteilt, daß möglicherweise ein Geschwader kommen und die Fluchtwege der Spanier zu den Kanaren und ihren Heimathäfen blockieren würde.« Er wedelte mit der Hand, wie um sich zu verbeugen. »Statt dessen schickte man Sie, einen Admiral, sozusagen als Vorläufer, um der Sache mehr Gewicht zu verleihen. Aber wenn wir nun verlieren, wird der Sieg des Feindes um so größer aussehen. Was sagen Sie dazu?«
Bolitho zuckte die Achseln. »Ich denke, wir können gewinnen.« Die Erkenntnis überfiel ihn wie ein Schrei in der Nacht: Somervell brauchte den Erfolg mehr als jeder andere. Vielleicht weil er bei Hofe in Ungnade gefallen war, oder weil er sich anderweitig in Schwierigkeiten befand, die nur ein hoher Anteil an Prisengeld bereinigen würde.
Er sagte sachlich: »Mylord, wir haben keine Zeit zu verlieren.
Wenn wir so lange warten, bis Verstärkung aus England eintrifft – und ich weise darauf hin, daß es nur drei Linienschiffe sein werden –, dann ist hier alle Welt hinter uns her. Gewiß, ein Sieg hilft unseren Finanzen, aber vor allem wird er das französischspanische Bündnis ernsthaft schädigen.«
Somervell setzte sich wieder und strich sorgfältig seinen Rock glatt, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Schließlich meinte er gereizt: »Das Geheimnis wird ohnehin bald bekannt sein.«
Bolitho sah ihn die Lippen spitzen und wollte nicht daran denken, daß diese Catherines Hals berührten, ihre Brüste.
Dann lächelte Somervell, als lenke er ein. »Gut, ich stimme zu. Es soll so ablaufen, wie Sie planen. Ich bin ermächtigt, Ihnen jede Unterstützung zu gewähren.« Sein Lächeln verschwand abrupt.
»Aber ich kann Ihnen nicht helfen, wenn …«
Bolitho nickte zufrieden. »Gewiß, Mylord, das Wort ›wenn‹ kann für einen Marineoffizier alles bedeuten.«
Er vernahm, daß jemand ein Boot anrief, und vermutete, daß Somervell seinen Abgang wie seine Ankunft auf die Minute genau arrangiert hatte.
»Ich werde sofort Kapitän Haven informieren.«
Somervell hörte nur noch halb hin, meinte aber: »So vage wie möglich. Wenn zwei ein Geheimnis teilen, ist es kein Geheimnis mehr.«
Die Tür ging auf und Ozzard trat ein, Somervells Hut mit größter Sorgfalt balancierend.
Somervell bemerkte noch: »Es freut mich, daß wir uns kennengelernt haben. Aber ich kann mir um nichts in der Welt vorstellen, warum Sie darauf bestanden, diese Aufgabe selbst zu übernehmen.« Er verbeugte sich spöttisch. »War es etwa Todessehnsucht? Denn noch mehr Ruhm haben Sie bestimmt nicht nötig.«
Damit drehte er sich auf dem Absatz um und verließ die Kajüte. Über die strammstehenden Seesoldaten an der Relingpforte sah er hinweg, desgleichen über Imries schlaksige Gestalt an der Pooptreppe. »Ich könnte mir denken, daß Lady Belinda diesen Drang zu weiteren Siegen, so bald nach dem letzten, ausgesprochen mißbilligt.« Mit einem schiefen Lächeln ging er von Bord.
Bolitho blickte der hübschen, von der
Hyperion
fortrudernden Barkasse nach. Was hatten sie besprochen und, mehr noch, was war ungesagt geblieben? Was hatte sich beispielsweise Somervell bei seinem Hinweis auf Belinda, seine Frau, gedacht? Wollte er ihn nur reizen, oder konnte er sich nicht zurückhalten, da keiner von beiden auch nur einmal Catherine erwähnt hatte?
Haven näherte sich und tippte an seinen Hut. »Irgendwelche Befehle, Sir Richard?«
Bolitho zog seine
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