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Die Seemannsbraut

Die Seemannsbraut

Titel: Die Seemannsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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zog seine Uhr heraus und legte sie unter die niedrig hängende Lampe.
    »Wir werden mit
Thor
in der nächsten halben Stunde ankern. Unmittelbar darauflegen alle Boote ab, die Jolle an der Spitze. Es muß gelotet werden, aber leise. Heimlichkeit ist lebenswichtig. Wir müssen bei Tagesanbruch auf Position sein.«
    Alle machten entschlossene Gesichter. »Noch Fragen?«
    Dalmaine, der Zweite Leutnant der
Thor,
hob die Hand. »Was ist, wenn der Don schon weg ist?«
    Wie leicht es für sie jetzt war, mit ihm zu reden, ohne die einschüchternden Epauletten eines Vizeadmirals vor Augen. Selbstsicher auf ihrem eigenen Schiff, hatten sie offen von ihren Erwartungen und Bedenken gesprochen.
    »Dann haben wir eben Pech gehabt«, lächelte Bolitho. »Aber es liegen mir keine Meldungen vor, wonach ein so großes Schiff die Heimreise angetreten hat.«
    Der Leutnant fragte nochmals: »Und die Batterie, Sir?
    Angenommen, wir können sie nicht in einem Überraschungsangriff erobern?«
    Es war Imrie, der jetzt antwortete. »Dann, Mr. Dalmain, war all Ihr Stolz auf die Mörser unangebracht.« Alle lachten, ein gutes Zeichen.
    Bolitho erklärte: »Wir zerstören die Batterie als erstes, dann kann
Thor
durch die Untiefen folgen. Ihre Karronaden werden mit den Wachbooten aufräumen. Und danach greifen wir an.«
    Er stand vorsichtig auf, achtete auf die niedrigen Decksbalken. Parris sagte: »Und wenn wir zurückgeschlagen werden?«
    Ihre Blicke trafen sich über dem kleinen Tisch. Bolitho bemerkte wieder das zigeunerhaft gute Aussehen des Leutnants, die unbekümmerte Aufrichtigkeit in seiner Stimme. Ein Westengländer, vermutlich aus Dorset. Alldays indiskreter Hinweis kam Bolitho in den Sinn und das Frauenporträt in Havens Kajüte.
    Er entgegnete: »Das Schatzschiff muß auf jeden Fall versenkt werden, am besten durch Brandstiftung. Das kann zwar seine spätere Bergung nicht verhindern, aber die Dons doch beträchtlich aufhalten.«
    »Verstehe, Sir.« Parris rieb sich das Kinn. »Der Wind kommt mehr von achtern, das könnte uns helfen.« Er sprach gelassen, nicht wie ein Mann, der am nächsten Morgen tot sein oder unter dem Messer eines spanischen Chirurgen schreien konnte; eben wie ein Mann, der zu befehlen gewohnt war. Er erwog Alternativen: angenommen, wenn, vielleicht.
    Bolitho beobachtete ihn. »Wären wir dann soweit, Gentlemen?« Sie hielten seinem Blick stand. Wußten sie alles Notwendige? fragte er sich. Würden sie seinem Urteil trauen? Haven jedenfalls traute keinem.
    Imrie scherzte: »Tja, Sir Richard, zu Mittag werden wir alle reiche Leute sein.«
    Sie verließen die Kajüte, in der Enge vornübergebeugt und tastend. Bolitho wartete, bis Imrie allein zurückblieb.
    »Auch das muß noch gesagt werden: Wenn ich falle, müssen Sie sich zurückziehen, sobald Sie dazu in der Lage sind.«
    Imrie schaute ihn nachdenklich an. »Wenn Sie fallen sollten, Sir Richard, dann nur, weil ich versagt habe.« Und mit einem Blick in die Runde: »Aber wir werden Sie stolz auf uns machen, warten Sie’s nur ab, Sir!«
    Bolitho trat in die Dunkelheit hinaus, die funkelnden Sterne beruhigten ihn. Warum konnte er sie noch immer nicht für selbstverständlich nehmen? Simple Treue und Ehrlichkeit. Von so vielen Menschen daheim wurden sie gering geschätzt.
    Thor
ließ den Anker fallen. Als die Trosse steifkam und das Schiff sich in die Strömung drehte, wurden die Boote außenbords gesetzt. Das geschah so schnell, daß Bolitho mutmaßte, der Kommandant hätte seine Leute seit dem Verlassen von English Harbour für diesen Augenblick gedrillt.
    Er selbst setzte sich ins Heck der Jolle, die auch in der Dunkelheit sichtbar niedrig im Wasser lag, bei dem Gewicht von Menschen und Waffen. Er hatte Hut und Rock weggelassen und hätte als einfacher Leutnant wie Parris durchgehen können. Allday und Jenour zwängten sich neben ihn, und während Allday die Ruderer kritisch musterte, äußerte der Flaggleutnant aufgeregt: »Das werden die mir niemals glauben.«
    Mit »die« meinte er wohl seine Eltern, nahm Bolitho an. Er hörte den Schlag langer Riemen und sah Spritzer auffliegen, als der Leichter mit den schweren Mörsern von
Thor
losgeworfen wurde und abtrieb, bis ihn mehrere Boote mit ihren Leinen einfingen und abschleppten. Bolitho zupfte sich das feuchte Hemd von der Haut. Feucht von Schweiß oder Wasser, da war er nicht sicher. Er konzentrierte sich auf die verstreichende Zeit, auf die flüsternd geloteten Tiefen, das stete Auf und Ab der Riemen. Er wagte

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