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Die Seemannsbraut

Die Seemannsbraut

Titel: Die Seemannsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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schnitt eine Grimasse. Er wußte, was er unter solchen Umständen getan hätte. Seeleute hegten Mißtrauen gegen das Land. Während andere die See als Feind oder als Hindernis ansahen, würden Männer wie Dalmain die Fluchtchance ergreifen, die sie bot, selbst in einem so untauglichen Fahrzeug wie einem Leichter.
    Jenour gesellte sich zu ihnen am Ruder und meldete: »Der schwedische Steuermann sagt, wir sind schon an der Batterie vorbei. Das größte Schatzschiff ankert in Linie mit dem ersten Fort. Es ist die
Ciudad de Sevilla.«
    Bolitho klopfte ihm auf die Schulter. »Das haben Sie gut gemacht.« Er sah die Karte vor sich. Es war genauso wie von Price beschrieben: das neue Fort erhob sich auf einem Felsensockel aus der See.
    Der Lotgast rief plötzlich: »An der zweiten Marke!« Parris murmelte: »Allmächtiger Gott, so flach!«
    Bolitho befahl: »Einen Strich abfallen!« Er starrte ins Kompaßgehäuse. »Wer steht am Ruder?«
    »Laker, Sir.«
    Bolitho drehte sich wieder um. Der Seemann, der ausgepeitscht werden sollte.
    Laker meldete: »Südost liegt an, Sir!«
    Der Lotgast vorn gab Entwarnung: »An der Marke sieben!« Bolitho öffnete die geballten Fäuste.
Spica
hatte also die Untiefen hinter sich gelassen und tieferes Wasser erreicht. Doch wehe, wenn die Karte mit ihren spärlichen Daten unrecht hatte … »Marke fünfzehn!« Der Jubel in des Mannes Stimme war nicht zu überhören. Die Karte war nicht falsch, sie waren durch … Bolitho ging zur Heckreling und spähte nach ihrem Schleppzug aus. Die weißen Bugwellen leuchteten wie Flaumfedern auf dunklem Grund.
    Allday bemerkte: »Sonnenaufgang jede Minute, Sir Richard.« Es klang gereizt. »Ich wäre wirklich froh, sie wieder untergehen zu sehen.«
    Bolitho lockerte den Degen in seiner Scheide; er vermißte seine alte Waffe. Er malte sich aus, wie Adam sie trug, dazu Belindas beherrschtes Gesicht, wenn sie die Nachricht von seinem Tod erhielt.
    Laut aber brummte er: »Genug der Melancholie, alter Freund! Wir haben schon Schlimmeres überstanden.«
    Allday beobachtete ihn unbewegt in der Dämmerung. »Ich weiß, Sir Richard, ich werde nur manchmal …«
    Seine Augen leuchteten auf, Bolitho ergriff ihn am Arm.
    »Die Sonne! Unser Freund oder Feind? Das fragt sich noch.«
    »Klar zum Wenden!« Parris’ Stimme klang sorglos. »Zwei Mann mehr an die Vorbrasse, Keats!«
    »Aye, aye, Sir.«
    Bolitho versuchte, sich Keats’ Gesicht vorzustellen. Statt dessen kamen andere, ältere zum Vorschein: die Toten der
Hyperion.
Standen sie auf, um ihn, der zu ihnen gehörte, nun zu sich zu holen? Der Gedanke ließ ihn erschauern. Er schnallte die Scheide ab und warf sie fort, während er den Degen in der Hand balancierte.
    Tageslicht floß golden übers Wasser. An Steuerbord dehnte sich die noch formenlose Masse des Landes. Irgendwo reflektierte ein Glasfenster kurz einen Sonnenstrahl, der Wimpel an ihrer Mastspitze glühte im ersten Licht wie eine Lanzenspitze auf. Das Fort lag fast in Linie mit dem Klüverbaum: ein Viereck, das sich deutlich vom Land abhob und auf das sie direkt zuhielten.
    Bolitho ließ den Arm mit dem Degen baumeln, die andere Hand steckte im Ausschnitt seines Hemdes. Unter der heißen, feuchten Haut spürte er seinen Herzschlag; und doch war ihm kalt.
    »Da ist es!«
    Er hatte die Mastspitzen des großen Schiffes unterhalb des Forts entdeckt. Es konnte gar nichts anderes sein als die von Somervell erwähnte Galeone. Er sah Catherines Augen auf sich gerichtet, stolz und fordernd. Und sehr fern.
    Da ließ er das Grübeln sein und hob langsam den linken Arm, bis das Sonnenlicht die Klinge streifte, als hätte er sie in geschmolzenes Gold getaucht.
    Auf allen Seiten umgaben ihn die Geräusche von See, Wind und Gischt, dazu das lebhafte Geklapper des laufenden Guts und das Knarren der Wanten, als sich das Deck beim Überstaggehen neigte.
    Bolitho schrie: »Da vom liegt sie, Jungs! Bald sind wir quitt!«
    Doch niemand antwortete; denn nur die Toten der
Hyperion
hatten ihn verstanden.

Die Schatzschiffe
    Das schwache Tageslicht erschwerte es Bolithos Augen, die Einzelheiten der Faltkarte zu erkennen. Er wünschte, er hätte noch Zeit gehabt, in der winzigen Schonerkajüte alles genau zu überprüfen, doch war jede Sekunde kostbar. Wenn er vom schrägen Kompaßgehäuse aufschaute, öffnete sich vor ihm die große Reede wie ein Amphitheater. Da lagen noch mehr Schiffe vor Anker, aber aus der Entfernung wirkten sie wie beim Zentralfort zusammengedrängt. Dahinter

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