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Die Seemannsbraut

Die Seemannsbraut

Titel: Die Seemannsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Deck neigte sich ein wenig, und ein Leichnam rollte vor die Speigatten, als ob er sich bisher nur totgestellt hätte.
    Auf dem Vordeck stand Jenour. Dort bewachten zwei bewaffnete Seeleute eine offene Luke, weil niemand wußte, wie viele Feinde noch im Innern des Schiffes steckten. Jenour spürte, daß Bolitho ihn ansah, und hob seinen schönen Degen wie zum Salut. Wie für den dreizehnjährigen Hazlewood war es auch für ihn wahrscheinlich das erste Blutvergießen gewesen.
    »Thor
zeigt verstanden, Sir!«
    Bolitho wollte seinen Degen ablegen und erinnerte sich, daß er die Scheide vor dem Handgemenge weggeworfen hatte. Nun lag sie auf dem kleinen Schoner, der soeben im Dunst verschwand und nur noch eine Erinnerung war.
    »Nordost zu Ost liegt an, Sir!«
    Vor ihnen, milchblau im frühen Licht, dehnte sich die offene See. Männer jubelten – verblüfft, verstört, voller Freude und auch, weil sie das Ganze noch gar nicht fassen konnten.
    Parris grinste breit und drückte die Hand des Meistergehilfen so kräftig, daß dieser zusammenzuckte. »Sie gehört uns, Mr. Skilton! Gott verdamm’ mich, wir haben ihnen das Schiff unter ihrer Nase weggenommen!«
    Skilton schnitt eine Grimasse. »Wir sind noch nicht daheim, Sir.«
    Bolitho hob das Glas wieder, es dünkte ihn schwer wie Blei. Weniger als eine Stunde war verflossen, seit sie das verankerte Schatzschiff überfallen hatten. Eine Unmenge kleiner Boote verließ die Küste, eine Brigg setzte Segel, um sich ihnen anzuschließen. Sie alle strömten zu dem spanischen Wrack. Die letzte Breitseite muß es wie ein Sieb durchlöchert haben. Jedes Boot und jede Hand würde nötig sein, um zu bergen, was noch zu bergen war, ehe es kenterte und unterging. Es nicht zu entern, hatte sich gelohnt. Wenn sie versucht hätten, beide zu nehmen, hätten sie keines bekommen, sondern beide verloren. Der Meistergehilfe hatte schon recht: Bis daheim war noch ein langer Weg.
    Er ließ den Degen an Deck fallen, er war ungebraucht wie der Dolch des kleinen Fähnrichs. Todessehnsucht? Er hatte keine Furcht empfunden, wenigstens nicht für sich selbst. Er sah die Matrosen an den Backstagen heruntergleiten. Hundert Mann Besatzung hatte er für die
Ciudad de Sevilla,
das reichte. Sie vertrauten ihm, und das war vielleicht der größte Sieg.
    Bolitho nahm sich eine Kaffeetasse und schob sie gleich wieder fort: leer. Das hätte Ozzard unter diesen Umständen nie zugelassen. Müde rieb er sich die Augen und sah sich in der überreichlich ausgestatteten Kajüte um. Im Vergleich zu einem britischen Kriegsschiff war es ein Palast, sogar für einen Vizeadmiral. Er lächelte dünn.
    Es war Nachmittag. Trotzdem konnten sie vom Großmast immer noch das spanische Festland sehen. Aber Geschwindigkeit war so wichtig wie die Entfernung, deshalb ließ er bei dem stetigen Nordwestwind jeden Fetzen setzen, den das Schiff tragen konnte. Er hatte ein ebenso kurzes wie feindseliges Gespräch mit dem spanischen Kapitän gehabt, einem arroganten, bärtigen Mann mit dem Gesicht eines alten Conquistadors. Schwer zu sagen, was diesen Spanier mehr ärgerte: daß ihm sein Schiff unter den Kanonen des eigenen Forts weggenommen wurde oder daß ihn ein Mann befragte, der sich zwar als englischer Admiral ausgab, aber in seinem zerlumpten Hemd und den rauchgeschwärzten Kniehosen eher wie ein Landstreicher aussah.
    Er nannte Bolithos Absicht, das Schiff in friedlichere Gewässer zu segeln, aussichtslos. Wenn die Abrechnung kam, würde es ein Ende ohne Gnade sein, hatte er in merkwürdig eintönigem Englisch gesagt. Da hatte Bolitho das Gespräch beendet und gelassen erklärt: »Niemand erwartet Gnade von einem Land, das sogar die eigenen Leute wie Tiere behandelt.«
    Bolitho hörte, wie Parris einem Mann im Besanmast etwas zurief. Er war unermüdlich und nicht zu stolz, beim Brassen oder Heißen mit anzupacken. Mit ihm hatte Bolitho eine gute Wahl getroffen.
    Thor
war dem schwerfälligen Schatzschiff gefolgt, wahrscheinlich ebenso erstaunt über ihren Erfolg wie alle. Doch so groß dieser auch war, er hatte seinen Preis gefordert und Trauer hinterlassen wie nach jedem Gefecht.
    Leutnant Dalmain war ums Leben gekommen, aber seine Leute waren von
Thor
abgeborgen worden. Die beiden Mörser mußten aufgegeben werden, ihr wuchtiger Rückstoß hatte den lecken Leichter bis auf den Kiel zerschlagen. Dalmain hatte seine Leute in Sicherheit gebracht und war noch einmal zurückgekehrt, um etwas zu holen. Dabei war der Leichter plötzlich

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