Die Seemannsbraut
würden noch Stunden vergehen. Das alles dauerte viel zu lange.
»Vielleicht ist’s die
Hyperion,
Sir Richard.«
Doch beide glaubten es nicht. Bolitho meinte: »Bei diesem günstigen Wind hätten wir schon mittags mit ihr zusammentreffen müssen«, und setzte nach einer Pause hinzu: »Benachrichtigt
Thor,
Imrie dürfte die Fremden noch nicht gesehen haben.«
Er machte ein paar Schritte hierhin und dorthin, das Kinn in der Halsbinde vergraben. Das gab ihm Zeit zum Überlegen. Er mußte sich mit dem Gedanken vertraut machen, daß der Feind ihm auf den Fersen war. Bei der Ciudad de Sevilla aber handelte es sich weder um ein Kriegsschiff, noch verfügte sie über die Bewaffnung eines Indienfahrers. Die Geschütze mit ihren verzierten Lafetten und demonstrativen Bronzemäulern machten zwar einen kriegerischen Eindruck, waren aber nutzlos außer gegen Piraten und Freibeuter.
Er musterte einige Seeleute in seiner Nähe. Das Gefecht hatte ihnen genug abverlangt. Freunde waren verwundet und getötet worden, doch ihr Überleben und der Traum vorn Prisengeld hatten sie in Hochstimmung versetzt. Nun kam es wieder anders. Ein Wunder, daß sie nicht nach achtern eilten, sich alles aneigneten und flohen. Nur Bolitho und zwei Leutnants hätten sie daran hindern können.
Der Ausguck rief: »Zwei Fregatten, Sir! Dem Aussehen nach Spanier!«
Bolitho stockte der Atem, alle sahen ihn an. Irgendwie hatte er geahnt, daß Haven mit der
Hyperion
nicht rechtzeitig kommen und ihm helfen würde. Es mutete wie ein Witz an, daß er ihm selbst einen ehrenvollen Ausweg eröffnet hatte.
Parris sagte gleichmütig: »Nun, wie man hört, ist die See unter unserm Kiel zwei Meilen tief. Die Dons kriegen das Gold nicht wieder, es sei denn, daß sie so tief tauchen können.«
Niemand lachte.
Bolitho schaute Parris an. Die Entscheidung liegt allein bei mir, dachte er. Sollte
Thor
sie und das Gold an Bord nehmen? Da sie nur noch die Hälfte der Boote verfügbar hatten, würde das zu lange dauern. Sollte man das große Schiff mit all seinen Schätzen anbohren und auf
Thor
fliehen, in der Hoffnung, die Fregatten aussegeln zu können, wenigstens bis zum Anbruch der Nacht?
Ein Sieg, der sozusagen in die Binsen ging.
Jenour trat näher. »Laker ist eben gestorben, Sir.«
Bolitho drehte sich mit blitzenden Augen um. »Für wen – das wollten Sie doch fragen? Müssen jetzt alle sterben, nur wegen der Arroganz eines Vizeadmirals?«
Überraschenderweise wich Jenour nicht zurück. »Lassen Sie uns kämpfen, Sir Richard.«
Bolitho ließ die Arme fallen. »Mein Gott, Stephen, Sie meinen es wirklich ernst, wie?« Er lächelte, sein Ärger war verraucht.
»Aber ich will nicht, daß noch mehr sterben.« Sein Blick ging zum Horizont.
»Thor
soll beidrehen, dann holt die Gefangenen an Deck.«
Der Ausguck schrie: »Zwei spanische Fregatten und ein anderes Segel dahinter!«
Parris murmelte: »Allmächtiger Gott! Na, Mr. Heißsporn, wollen Sie noch immer kämpfen?«
Statt einer Antwort griff Jenour zum Degen. Das sagte mehr als alle Worte.
Allday beobachtete die Offiziere und versuchte auszuloten, was falsch gelaufen war. Nicht das Scheitern allein bedrückte Bolitho, eher schon, daß die alte
Hyperion
ihn im Stich gelassen hatte. Allday knirschte mit den Zähnen. Wenn er jemals wieder den Hafen erreichte, würde er mit dem verdammten Haven ein für allemal abrechnen, und das mit Schwung obendrein.
Bolitho mußte es die ganze Zeit geahnt haben. Warum sonst hatte er den alten Degen für Adam an Bord zurückgelassen?
Allday fühlte einen Schauder im Rücken. Auch er hätte es wissen müssen.
Alle starrten in die Höhe, als der bis dahin vergessene Vormastausguck brüllte: »Segel in Nordost, Sir!«
Bolitho verschränkte die Finger. Das neue Schiff war aufgekommen, als aller Augen auf die anderen gerichtet waren. Er sagte: »Entern Sie auf, Stephen. Mit einem Glas.«
Jenour zögerte einige Sekunden, als denke er nach. Dann aber war er auch schon fort und zog sich bald Hand über Hand an den Vorwanten empor, wo er sich zum Ausguck auf die unsichere Sitzstange der Saling gesellte.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Andere waren ebenfalls aufgeentert oder klammerten sich an die Webeleinen, um den Horizont abzusuchen. Bolitho fühlte einen Kloß in der Kehle. Es war gewiß wieder nicht die
Hyperion,
denn ihre Masten und Rahen hätten sie jetzt schon klar erkannt.
Jenour schrie etwas herunter. In den Geräuschen der Takelage drang seine Stimme fast nicht bis
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