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Die Seemannsbraut

Die Seemannsbraut

Titel: Die Seemannsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Brigantine zurückgelassene Piraten leisteten Widerstand. Leutnant Grant erschoß den einen mit der Pistole, der andere duckte sich und flüchtete zum Niedergang. Ein Seemann wirbelte sein Entermesser durch die Luft und warf es nach ihm wie einen Speer. Durchs Teleskop gesehen ging das alles lautlos vor sich, aber Dunstan hätte schwören mögen, daß er den Schrei des Mannes hörte, als er fiel, das Entermesser im Rücken.
    Grant rief durch die hohlen Hände: »Macht euch bereit, von Bord zu gehen!«
    Dunstan, der das alles aus der Ferne mit ansah, senkte sein Glas. Er wollte nicht indiskret sein. Trotz ihres zerrissenen Kleides hielt sich die Frau merkwürdig stolz, während die Seeleute sie zur Jolle geleiteten. Sie verharrte nur einmal, nämlich als sie an dem von Leutnant Grant erschossenen Piraten vorbeikam. Dunstan sah, daß sie ihn anspuckte und das Entermesser mit dem Fuß fortstieß. Haß, Ekel und Zorn – aber kein Zeichen von Furcht.
    Dunstan befahl dem Ersten Leutnant: »Bemannt die Seite, Josh, und begrüßt sie mit allen Ehren an Bord. Dies ist etwas, an das wir uns alle erinnern werden.«
    Später, als die
Phaedra
mit ihrer Prise mühsam das Flaggschifferreichte, ereignete sich noch etwas, das Dunstan nie vergessen sollte.
    Die Frau stand neben ihm, in einen Ölmantel gehüllt, den ihr ein Seemann geliehen hatte. Mit großen Augen und erhobenem Kinn beobachtete sie, wie die
Hyperion
mit schwingenden Rahen und wieder gefüllten Segeln über Stag ging und auf sie zukam.
    Dunstan fragte: »Mylady, ich lasse jetzt ein Signal absetzen. Darf ich Ihren Namen übermitteln?«
    Den Blick auf den alten Zweidecker gerichtet, hatte sie langsam den Kopf geschüttelt. Ihre Antwort wurde vom Knarren der Takelage fast übertönt, sie klang wie Flüstern: »Nein, Kapitän, er kennt ihn. Trotzdem vielen Dank.« Und nach einer Pause: »Er wird mich sehen, ich weiß es.«
    Nur einmal schien sie gerührt. Das war, als der Meistersgehilfe rief: »Jungs, seht, da geht der alte Kahn hin.«
    Der Schoner hatte sein Heck gehoben und drehte sich nun in einem Kreis von Schaum und Blasen, Treibgut und Toten. Er mußte ziemlich durchlöchert sein und sank schnell. Plötzlich tauchte er kopfüber weg und verschwand immer schneller, als ob er sich eilig von jenen entfernen wollte, die ihn mißhandelt hatten. Dunstan sah mit einem Seitenblick, daß die Frau einen Fächer an die Brust drückte. Er war nicht sicher, glaubte aber drei Worte zu verstehen: »Ich danke dir.«
    Als alles vorbei war, sagte Dunstan zu seinem Vetter: »Gib dem Ausguckposten zwei Guineas, Josh. Es war viel wichtiger, als ich ahnte.«

Im Hafen
    Zwei Wochen, nachdem die
Phaedra
die Piratenbrigantine gekapert und die Gefangenen befreit hatte, kehrten
Hyperion
und
Obdurate
nach Antigua zurück. Die Insel wurde bei Tagesanbruch gesichtet, doch wie um ihre Anstrengungen in die Länge zu ziehen, erstarb der Wind. Der Abend begann schon zu dämmern, ehe sie sich nach English Harbour hineinschlängeln und Anker werfen konnten.
    Bolitho hatte fast den ganzen Nachmittag müßig an Deck verbracht und die Segelmanöver beobachtet, während die Insel kaum näher zu kommen schien. Zu jeder anderen Zeit wäre es ein stolzer Augenblick für ihn gewesen. Sie hatten Sir Folliots Geschwader getroffen, das jetzt den Schatzkonvoi nach England geleitete. Die Ausguckleute hatten schließlich drei weitere Linienschiffe im Hafen gemeldet, und Bolitho vermutete, daß es sich um die restlichen Schiffe seines eigenen Geschwaders handelte. Nach dem anstrengenden Geleitdienst und dem täglichen Kampf mit dem Wetter hätte ihn ihr Anblick aufmuntern sollen. Trotzdem war Bolitho froh, daß er seine neuen Kommandanten erst am nächsten Tag zu treffen brauchte.
    Als die beiden Zweidecker endlich vor Anker lagen, hatte er sich in seine Kajüte begeben, die durch mehrere Laternen anheimelnd erhellt wurde. Aus einem Heckfenster gebeugt, bewunderte er einen farbenprächtigen Sonnenuntergang, aber seine Gedanken waren noch immer bei jenem Tag, als man die in grobes Ölzeug gehüllte Catherine an Bord gehievt hatte.
    Es schien ihm kaum mehr glaubhaft, daß sie hier in dieser Kajüte gewesen war, allein mit ihm. Allein mit ihm und doch angemessen fern. Er ging umher und schaute in seinen Schlafraum, den er ihr während ihres kurzen Aufenthaltes an Bord überlassen hatte. Es mußte doch noch irgendein Zeichen ihrer Anwesenheit vorhanden sein? Ein Hauch ihres Parfüms, vielleicht ein Kleidungsstück, das

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