Die Seemannsbraut
befangen gefühlt. Kate war eine stolze, selbständige Frau, der es in seinen Augen an Bescheidenheit und Demut mangelte. Gerührt dachte er an seine liebe Dulcie in ihrem neuen Haus in Kent. Gar kein Vergleich mit ihr.
Wie tapfer Dulcie gewesen war, als sie erfuhr, daß sie ihm keine Kinder würde schenken können. Leise hatte sie erklärt: »Wenn wir uns nur früher kennengelernt hätten, Thomas. Vielleicht hätten wir dann einen hübschen Sohn gehabt, einen Nachfolger für dich in der Navy.« Er dachte auch an Bolithos Leben in Falmouth, an das alte graue Herrenhaus, in dem er aus- und eingegangen war, als Bolitho die
Phalarope
führte und er zum Ersten Leutnant aufgestiegen war. Das schien ein Jahrhundert zurückzuliegen.
Herrick war von untersetzter Statur und hatte sich gemütlich gerundet, seit er mit Dulcie verheiratet war. Gleichzeitig war er zu der für ihn immer noch unglaublichen Höhe eines Konteradmirals aufgestiegen. Er war schon so lange hier draußen, daß sein ehrliches rundes Gesicht wie Mahagoni aussah, eine Farbe, die seine strahlenden blauen Augen und die grauen Strähnen noch mehr hervorhob.
Was dachte sich Bolitho eigentlich? Er hatte eine schöne Frau und eine gesunde Tochter, darauf konnte er stolz sein. Jeder aktive Offizier mußte ihn um seine Conduite beneiden. Er hatte Gefechte durch eigenen Einsatz gewonnen, aber auch nie den Wert seiner Männer außer acht gelassen. Seine Seeleute nannten ihn »Gleichheits-Dick«, ein Spitzname, den die populären Massenblätter im Lande aufgegriffen hatten, wenn auch einige von ihnen jetzt eine andere Geschichte erzählten. Nämlich vom Vizeadmiral, dem mehr an einer Lady als an seiner Reputation lag.
Godschale hatte in seinem Brief drumherum geredet. »Ich weiß, daß Sie beide alte Freunde sind, aber Sie mögen es jetzt schwer finden, unter ihm zu dienen, zumal Sie erwarten durften, abgelöst zu werden.«
Indem er nichts sagte, hatte Godschale alles gesagt. War es eine Warnung oder eine Drohung? Man konnte es so oder so auslegen. Er hörte, wie die Seesoldaten an der Relingspforte antraten, während ihr Offizier sie inspizierte. Kapitän Gossage kam wieder zu ihm und begutachtete die Formation der verankerten Schiffe.
»Sie sehen gut aus, Sir«, meinte er.
Herrick nickte. Seine eigenen Schiffe hätten ebenfalls abgelöst werden müssen, wenn auch nur für eine schnelle Überholung. Er hatte immer nur jeweils ein Schiff zum Wasserfassen und zur Ergänzung des Proviants entlassen können; der unerwartete Befehl, der ihn nun Bolithos Kommando unterstellte, überraschte jeden und verursachte viel Ärger.
Gossage erzählte weiter. »Ich diente vor wenigen Jahren unter Edmund Haven, Sir.«
»Haven?« Herricks riß sich aus seinen Gedanken. »Bolithos Flaggkapitän?«
Gossage bejahte. »Ein langweiliger Bursche. Er bekam
Hyperion
nur, weil sie nicht viel mehr als ein Wrack war.«
Herrick drückte sein Kinn in die Halsbinde. »Das würde ich nicht Sir Richard hören lassen. Er teilt diese Ansicht bestimmt nicht.«
Der Offizier vom Dienst rief: »Boot legt ab, Sir!«
»Also gut, besetzt die Seite.«
In ihrem letzten Brief hatte Dulcie wenig über Belinda gesagt. Sie standen zwar in Verbindung, aber es schien, daß sie alles Vertrauliche zurückhielt. Er lächelte trübe: auch vor ihm.
Herrick gedachte des Mädchens, das Bolitho einmal geliebt und geheiratet hatte – Cheney Seton. Er hatte der Hochzeit beigewohnt, und es war auch seine schreckliche Aufgabe gewesen, Bolitho die Kunde von ihrem tragischen Tod zu übermitteln. Er hatte gewußt, daß Belinda keine zweite Cheney war, aber Bolitho schien sich dreingefunden zu haben, vor allem seit sie ihm eine Tochter geschenkt hatte. Herrick bemühte sich, aufrichtig zu sein. Auch bevor Dulcie über das Alter hinaus gewesen war, ihm Kinder zu schenken, hatten sie schmerzlich an ihrer Kinderlosigkeit gelitten. Im Geist hörte er die Worte: Warum sie und nicht wir?
Und nun gab es also Catherine. Gerüchte übertrieben immer maßlos, wie schon bei Nelson. Auch dieser würde es noch bedauern. Wenn er einmal den Degen endgültig aus der Hand legte, würden viele alte Feinde nur zu schnell seine Triumphe vergessen. Herrick entstammte einer armen Familie und wußte, wie schwer es war, Vorurteile von Vorgesetzten zu überwinden, ganz zu schweigen von deren offener Feindschaft. Bolitho hatte ihm das erspart, hatte ihm eine Chance geboten, die er sonst nie bekommen hätte. Das durfte er nicht leugnen. Und
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