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Die Seemannsbraut

Die Seemannsbraut

Titel: Die Seemannsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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legte Ruder und lauschte den Jubelrufen, die sich auf die anderen Vierundsiebziger übertrugen. Ihr Narren, dachte er ärgerlich. Was wißt ihr schon? Nur er hatte es gemerkt, hatte es sogar unten im Boot gefühlt: zwei Freunde, die sich nichts mehr zu sagen hatten, um die Kluft zu überbrücken, die sie trennte wie ein Burggraben.
    Er sah, daß der Schlagmann mehr auf Bolitho achtete als auf seine Arbeit, und funkelte ihn an, bis der andere erblaßte. Allday schwor sich, nie mehr jemanden nach dem bloßen Äußeren zu beurteilen. Für oder gegen Bolitho, das sollte sein Maßstab sein.
    Bolitho drehte sich plötzlich um und beschattete seine Augen.
    »Schon gut, Allday, entspann dich.«
    Allday vergaß den unaufmerksamen Schlagmann und grinste verlegen zurück. Bolitho konnte sogar hinter seinem Rücken Gedanken lesen. »Ich habe mich nur erinnert, Sir Richard.«
    »Ich weiß, aber im Augenblick habe ich genug davon.«
    Das Boot glitt an
Hyperions
Großrüsten, und Bolitho schaute zur wartenden Ehrenwache auf. Er verhielt. »Zuweilen erhoffen wir eben zuviel, alter Freund.«
    Dann war er ausgestiegen, und die schrillen Triller verkündeten seine Ankunft an Deck. Allday schüttelte den Kopf und murmelte: »So habe ich ihn noch nie gesehen.«
    »Was ist, Steuermann?«
    Allday drehte sich um, seine Augen blitzten. »Und du! Achte in Zukunft auf den Takt, oder ich zieh dir’s Fell ab!«
    Er starrte hart auf die hochragende Bordwand. Aus der Nähe konnte man die Narben der Schlacht unter dem Anstrich erkennen.
    Wie wir selber, dachte er beunruhigt. Warten aufs letzte Gefecht. Wenn es dazu kam, würde Bolitho alle Freunde brauchen, die er noch besaß.

Vereint handeln
    Bolitho saß an seinem Pult und setzte seine Unterschrift auf noch eine Depesche an die Admiralität. Die Luft in der großen Kajüte war schwer und feucht; selbst bei geöffneten Stückpforten und offenem Oberlicht fühlte er, wie der Schweiß ihm den Rücken hinunterrann. Er hatte seinen Rock abgelegt und das Hemd fast bis zur Taille aufgeknöpft, aber das nützte auch nichts.
    Er schaute auf das Datum der nächsten Depesche, die Yovell ihm diskret unterschob. September … Mehr als drei Monate, seit er sich von Catherine verabschiedet hatte und nach Gibraltar zurückgekehrt war. Er blickte zu den Heckfenstern hinaus – kaum ein Gekräusel heute. Die See war wie Glas, die Sonnenreflexe schmerzten beinahe. Sie schienen ihm viel länger, diese endlosen Tage des Gegenankreuzens in den Fängen eines wütenden Levanter oder des Stillliegens ohne den geringsten, die Segel füllenden Hauch.
    So konnte es nicht weitergehen. Sie saßen hier wie auf einem Pulverfaß. Zudem wurde das Frischwasser wieder knapp, was in den überfüllten Messedecks Unruhe hervorrufen konnte.
    Vom Feind fehlte jede Spur.
Hyperion
und ihre Geleitschiffe lagen westlich von Sardinien, während Herrick und sein erschöpftes Geschwader von der Straße von Messina bis nördlich zur Bucht von Neapel patrouillierte.
    Der andere Bewohner der Kajüte hüstelt e höflich. Bolitho sah auf und lächelte. »Routine, Sir Piers, aber es wird nicht mehr lange dauern.«
    Sir Piers Blachford lehnte sich in seinem Sessel zurück und streckte die Beine aus. Den Offizieren des Geschwaders war seine Ankunft mit der letzten Kurierbrigg lediglich als eine weitere Einmischung Londons erschienen: ein Zivilist, den man ihnen schickte, um zu sondieren und zu untersuchen, ein abzulehnender Eindringling.
    Doch dieser merkwürdige Mann hatte nicht lange gebraucht, das alles zu ändern. Wenn sie ehrlich waren, bedauerten die meisten von denen, die sein Eintreffen geärgert hatte, nun seinen Fortgang.
    Blachford war ein Seniormitglied des Kollegiums der Chirurgen und einer der wenigen, die sich freiwillig gemeldet hatten, die Geschwader der Navy zu besuchen, ungeachtet der eigenen Unbequemlichkeit. Er sollte die medizinische Versorgung in den spartanischen und oftmals entsetzlichen Verhältnissen eines Kriegsschiffs untersuchen. Als Mann unerschöpflicher Energie schien er niemals zu ermüden, wenn er von einem Schiff zum anderen gereicht wurde, sich mit den Bordärzten beriet und die Kommandanten über eine bessere Nutzung ihrer mageren Versorgungsmöglichkeiten der Kranken unterrichtete.
    Obendrein war er gut zwanzig Jahre älter als Bolitho und dünn wie ein Bolzen, mit der längsten und ausgeprägtesten Nase, die Bolitho jemals gesehen hatte. Sie war mehr ein Instrument seines Gewerbes als ein Teil seines Gesichts.

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