Die Seemannsbraut
sprechen würde?« Er versuchte, den bitteren Unterton zu unterdrücken.
Herrick packte die Armlehnen fester. »Verdammt noch mal, Richard, warum verdrehst du die Wahrheit? Du mußt doch wissen, was sich jeder erzählt: daß du ihr verfallen bist, Frau und Kind verstoßen hast, um deiner Leidenschaft zu leben – und zum Teufel mit allen, die sich um dich sorgen!«
Bolitho dachte an Belindas großes Haus in London. »Ich habe niemanden verstoßen. Ich habe vielmehr jemanden gefunden, den ich lieben kann. Mit Hörigkeit hat das nichts zu tun.« Er erhob sich und wanderte zu den Fenstern. »Du weißt, daß ich mich in diesen Dingen nicht leichtsinnig verhalte.« Er fuhr herum: »Verurteilst auch du mich? Wer bist du denn – Gott?«
Sie standen einander wie Feinde gegenüber. Dann sagte Bolitho: »Ich brauche Catherine und bete, daß auch sie mich immer brauchen möge. Und nun laß uns damit aufhören.«
Herrick holte tief Atem und füllte beide Gläser nach. Die blauen Augen auf Bolitho gerichtet, erwiderte er: »Ich werde niemals damit einverstanden sein. Aber es wird meine Pflichterfüllung nicht beeinflussen.«
Bolitho nahm wieder Platz. »Sprich nicht von Pflichten zwischen uns, Thomas. Ich hatte zuviel davon in letzter Zeit.«
Dann kam er auf das eigentliche Thema zurück. »Für unsere jetzt vereinigten Geschwader sind wir gemeinsam verantwortlich. Ich eigne mir nicht deine Führungsrolle an, das sollst du wissen. Ich teile aber auch nicht die Ansichten Ihrer Lordschaften über die Franzosen. Pierre Villeneuve ist ein Mann von großer Intelligenz, er hält sich nicht stur an seine Gefechtsinstruktionen. Andererseits muß er vorsichtig sein; denn wenn er bei seinem eigentlichen Auftrag versagt, den Kanal für die Invasion frei zu machen, stirbt er unter der Guillotine.«
»Barbaren«, murmelte Herricks.
Bolitho nickte. »Wir müssen jede Möglichkeit berücksichtigen und unsere Schiffe zusammenhalten, mit Ausnahme der Aufklärer. Wenn die Zeit kommt, wird es schwer sein, Nelson und den tapferen Collingwood zu finden.«
Bedächtig setzte er sein Glas ab. »Ich glaube nämlich nicht, daß die Franzosen bis zum nächsten Jahr warten werden. Sie haben ihren Kurs schon abgesteckt …« Er schaute auf die in der Sonne ankernden Schiffe hinaus und schloß: »Wir aber auch.«
Herrick fühlte sich wieder auf sicherem Boden. »Wer ist jetzt dein Flaggkapitän?«
»Kapitän Keen. Es gibt keinen besseren, jedenfalls nicht, seit du über meinen Einfluß hinausgewachsen bist.«
Herrick verbarg nicht seine Rührung. »So hat es uns also alle wieder zusammengeführt?«
»Nur denk daran, Thomas, heute sind wir noch weniger.«
Bolitho stand auf und nahm seinen Hut. »Ich muß zur
Hyperion
zurück. Vielleicht später …« Aber er sprach es nicht aus, sondern legte Herricks Briefe auf den Tisch.
»Von England, Thomas. Es werden noch mehr ›Neuigkeiten‹ drin sein.« Ihre Blicke trafen sich, und Bolitho schloß leise: »Mir wäre es lieber gewesen, du hättest es von mir selbst erfahren, von deinem Freund, statt deine Ohren mit Klatsch aus London zu beschmutzen.«
Herrick protestierte. »Ich wollte dich nicht verletzen, ich mache mir nur Sorgen um dich.«
Bolitho zuckte die Achseln. »Wir kämpfen zusammen in einem Krieg, Thomas, das muß genügen.«
Sie standen Seite an Seite an Deck, während Allday mit dem Boot hastig herbeiruderte. So war er noch nie überrascht worden. Wie alle anderen hatte auch er angenommen, daß der Vizeadmiral länger bei seinem Freund bliebe. Bolitho schritt zur Relingspforte, während die Seesoldaten Gewehre präsentierten, deren Bajonette wie Eis in der Sonne glitzerten. Sein Schuh verfing sich in einem Ringbolzen, und er wäre gefallen, wenn ihn nicht ein Leutnant gestützt hätte. »Danke, Sir!«
Er sah den Major der Wache herüberschielen, den präsentierten Degen noch in der behandschuhten Faust, und Herrick in jähem Erschrecken zu ihm treten. »Fühlen Sie sich nicht wohl, Sir Richard?« Bolitho schaute zum nächstliegenden Schiff hinüber und biß die Zähne zusammen. Wieder überzog der Schleier sein Auge. Dieser Besuch hatte ihn so bewegt und enttäuscht, daß er alle Vorsicht vergessen hatte. Im Nahkampf hätte es nur einer Sekunde bedurft … Er erwiderte: »Wohl genug, vielen Dank.« Sie sahen sich an.
»Es soll nicht wieder vorkommen.«
Einige Seeleute waren in die Wanten geklettert und begannen zujubeln, als das Boot aus dem Schatten ins Sonnenlicht lief.
Allday
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