Die Seemannsbraut
doch … Gossage rückte seinen Hut zurecht. »Boot nähert sich, Sir!« Eine Stimme schrie: »Oberdeck frei!«
Ein von Müßiggängern bevölkertes Oberdeck hätte nicht gut ausgesehen, wenn Bolitho an Bord kam. Aber einige schlichen sich doch dort hinauf, trotz verlockender Gerüche aus der Kombüse. Die Pfeifen schrillten, und die Flöten der Seesoldaten intonierten das »Herz aus Eiche«, während die Ehrenwache die Gewehre präsentierte. Bolitho, vom seidigen Blau der See eingerahmt, nahm seinen Hut ab.
Er hat sich nicht verändert, dachte Herrick. Obgleich ein Jahr älter als Herrick, hatte er noch keine grauen Haare. Bolitho deutete auf die Seesoldaten. »Schmucke Wache, Major.«
Dann schritt er mit ausgestreckter Hand auf Herrick zu. Herrick, der wußte, wie wichtig dieser Augenblick auch für Bolitho war, packte sie schnell. »Willkommen, Sir Richard!«
Bolitho lächelte mit weißen Zähnen im braunen Gesicht.
»Schön, daß wir uns wiedersehen, Thomas. Ich fürchte nur, daß die geänderten Pläne dir nicht sonderlich behagen.«
Zusammen begaben sie sich nach achtern zur großen Kajüte, während die Wache abtrat und Allday das Boot loswarf, um die Zeit im hohen Schatten der
Benbow
angenehm zu vertrödeln.
Nach der Hitze des Oberdecks wirkte die Kajüte kühl. Herrick schaute Bolitho erwartungsvoll an, der sich auf die Heckbank setzte. Er sah dessen Blick umherwandern. Wahrscheinlich erinnerte er sich, wie es hier einmal gewesen war:
sein
eigenes Flaggschiff. Aber es hatte sich verändert, nicht nur das letzte Gefecht hatte dafür gesorgt.
Der Diener brachte Wein, und Bolitho bemerkte: »Es scheint also, daß sich Nelson noch im Atlantik befindet.«
Herrick schluckte seinen Wein, ohne ihn zu schmecken. »So sagt man. Ich hörte, daß er möglicherweise nach England zurückkehren und seine Flagge einholen wird, weil es nicht so aussieht, als ob die Franzosen eine Kraftprobe wollen. Jedenfalls nicht mehr in diesem Jahr.«
»Das denkst du also?« Bolitho betrachtete das Glas. Herrick war gereizter, als er erwartet hatte. »Es ist natürlich auch möglich, daß der Feind wieder durch die Straße von Gibraltar schlüpft und sich nach Toulon begibt.«
Herrick runzelte die Stirn. »In dem Fall werden wir ihn fassen, eingezwängt zwischen uns und Nelsons Flotte.«
»Aber angenommen, Villeneuve beabsichtigt, in eine andere Richtung vorzustoßen? Bevor Ihre Lordschaften uns informiert hätten, würde er durch den Kanal fegen, während wir uns hier ahnungslos die Beine in den Bauch stehen.«
Herrick fühlte sich unbehaglich. »Ich schicke ständig meine Aufklärer aus und …«
»Ich weiß. Hast du ein Schiff zuwenig?«
Herrick war überrascht. »Ja, die
Absolute.
Ich schickte sie nach Gibraltar. Sie ist so verrottet, ein Wunder, daß sie überhaupt noch schwimmt.« Er versteifte sich. »Es geschah auf meine Verantwortung. Ich wußte damals noch nicht, daß du hier den Oberbefehl übernimmst.«
Bolitho lächelte. »Keine Sorge, Thomas. Es war nicht als Kritik gedacht. Ich hätte wohl das gleiche getan.«
Herrick schaute zu Boden. »Ich würde gern deine Absichten erfahren.«
»Gleich, Thomas. Vielleicht können wir zusammen soupieren?«
Herrick sah, wie die grauen Augen baten. Er entgegnete: »Es wäre mir ein Vergnügen.« Dann stockte er. »Du könntest Kapitän Haven mitbringen, wenn du wünschst, obgleich ich meine …«
Bolitho starrte ihn an. Natürlich, er konnte es noch nicht wissen.
»Haven ist unter Arrest, Thomas. Zu gegebener Zeit wird er sich vor Gericht verantworten müssen, wegen versuchten Mordes an seinem Ersten Leutnant.«
Herricks Erstaunen war verständlich, es klang wirklich verrückt. Deshalb fügte er hinzu: »Haven bildete sich ein, daß der Leutnant eine Affäre mit seiner Frau hätte. Sie bekam ein Kind. Wie sich herausstellte, hatte Haven unrecht. Aber der Schaden war schon geschehen.«
Herrick füllte sein Glas aufs neue und vergoß dabei Wein, ohne es zu beachten. Er kämpfte mit sich.
»Ich muß darüber sprechen, Sir Richard«, begann er.
Bolitho spitzte die Ohren. »Bitte keinen Rang oder Titel, wenn wir unter uns sind, Thomas.«
Herrick gab sich einen Stoß. »Dieses Weib … Was kann es dir schon bedeuten, außer …«
Bolitho beherrschte sich. »Wir sind Freunde, Thomas, laß uns das bleiben.« Er sah an ihm vorbei. »Ich liebe Catherine, ist das so schwer zu verstehen? Wie würde es dir gefallen, wenn jemand von deiner Dulcie als von ›diesem Weib‹
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