Die Seevölker
wurden und alles andere,
das mit den Erwartungen nicht übereinstimmte, als »verseucht« einge-
stuft wurde: Die Methode wurde als vollkommen verläßlich gerühmt –
so wie die Atomuhr verläßlich sei – und niemand bezweifelte dies.
307
Aber mit der Verfeinerung der Methode stellten sich ziemlich re-
gelmäßig auftretende Abweichungen ein. So erschien das Alter von
Holz, das im 20. Jahrhundert gewachsen war, höher zu liegen als das
von solchem aus dem 19. Jahrhundert. Suess erklärte dieses Phänomen
damit, daß der gesteigerte industrielle Verbrauch fossilen Kohlenstof-
fes in Kohle und Öl das Isotopenverhältnis 14C: 12Cin der Atmosphäre,
und damit auch in der Biosphäre, gestört habe. In kommenden Jahr-
hunderten würde deshalb der Körper eines im 20. Jahrhundert ver-
storbenen Menschen oder Tieres paradoxerweise ein höheres Alter seit
dem Eintritt des Todes anzeigen als der Körper eines Menschen oder
Tieres aus dem 19. Jahrhundert; und wenn der industrielle Verbrauch
von fossilem – also totem – Kohlenstoff auch zukünftig noch zunimmt,
wie erwartet wird, dann setzt sich das Paradox in diesen kommenden
Jahrhunderten weiter fort.
Im Verlauf der Jahre und weiterer Versuche (Laboratorien gab es bald
dutzendweise) begann eine beinahe gleichmäßig auftretende Abwei-
chung des Alters von historisch ermittelten Daten die Aufmerksamkeit
der Forscher zu erregen. Die C14-Daten divergieren von den histori-
schen um mehrere Jahrhunderte (oft um 500 bis 700 Jahre); und das,
interessanterweise, auffälliger bei ägyptischen Proben als bei den Pro-
ben aus den meisten anderen alten Kulturen. Dies veranlaßte Libby
1963 zu schreiben: »Die Daten [in der Tabelle] sind in zwei Gruppen
aufgeteilt: in eine ägyptische und in eine nichtägyptische. Diese Unter-
scheidung war notwendig, weil die ganze ägyptische Chronologie in-
einander verzahnt und damit die Möglichkeit systematischer Fehler
nicht auszuschließen ist …«. Und weiter: »Mehr als 4000 Jahre zurück-
liegende ägyptische historische Daten könnten etwas allzu alt sein,
vielleicht 5 Jahrhunderte zu alt bei 5000 Jahren …«1
Die gemeinsamen Bemühungen mehrerer Forscher führten sie zu
der Ansicht, daß eine der von Libby vorausgesetzten Bedingungen für
das fehlerlose Funktionieren der Methode historisch nicht nachzuwei-
sen sei: Es wird daher behauptet, die Höhenstrahlung sei nicht immer
gleichmäßig gewesen. Weil sie aber aus vielen Quellen stammt – von
denen die Sonne nur eine ist – konnte allerdings die Sonnenfleckenak-
1 Science, 140, 278.
308
tivität nur in sehr geringem Maß für die Unterschiede in der 14C-
Bildung verantwortlich gemacht werden. Es wurde vorgeschlagen, daß
die Magnetosphäre der Erde – die 1958 entdeckt wurde – manchmal
abgeschwächt wurde, so daß mehr Höhenstrahlenneutronen sie
durchdringen und mit Stickstoffkernen der äußeren Atmosphäre rea-
gieren konnten. Außerdem wurde behauptet, das Magnetfeld der Erde
könnte in den letzten 40 000 Jahren seine Polarität gewechselt haben,
ein Phänomen, das anerkannterweise in geologischen Epochen aufge-
treten war. Wenn solche Umpolungen nicht blitzschnell vor sich gin-
gen, sondern tausende von Jahren in Anspruch nähmen, so wäre die
Atmosphäre in dieser Zeit der Höhenstrahlung in wesentlich stärke-
rem Maß ausgesetzt gewesen. Indessen enthielt die wissenschaftliche
Literatur der letzten Jahrzehnte keinen einzigen Hinweis auf einen, an
Objekten von Menschenhand – wie Keramik –, beobachteten Polaritäts-
wechsel, obgleich ein Aufsatz von Manley aus dem Jahr 19492 über die
um die Jahrhundertwende von G. Folghereiter an attischer und etrus-
kischer Keramik durchgeführten Untersuchungen berichtete: Er fand,
daß die Polarität im 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung umge-
kehrt worden war.
Um das Korrekturmaß festzulegen, das die Zuverlässigkeit der C14-
Methode gewährleisten sollte, wurde mit Hilfe der Dendrochronologie
ein Kontrollverfahren für C14-Daten anhand der Ausbildung von
Baumringen des langlebigsten Baumes, der Bristlecone Pine (Sequoia)
in Kalifornien, eingeführt. Die C 14-Forscher fanden an dieser Methode
Gefallen. Aber es ist nichts Ungewöhnliches, daß in einem einzigen
Jahr drei oder vier Ringe ausgeformt werden, besonders wenn der
Baum an einem Hang wächst, wo der Boden mehrere Male im Jahr
wegen des rapiden Wasserabflusses naß und dann wieder trocken
wird.3
Weitere Kostenlose Bücher