Die Seevölker
Jahr (der Palermostein verweist auf ein Jahr von 320
Tagen während des Alten Reiches)12 wie auch die Länge des Tages; die
Kalender wurden wieder und wieder berichtigt, und der Jahresbeginn
wurde in den meisten alten Zivilisationen verschoben, immer im An-
schluß an große weltweite Umwälzungen.
Angesichts all dieser Tatsachen und der sich häufenden Nachweise
für plötzliche natürliche Wechsel, wie in Erde im Aufruhr aufgezeigt,
welche Festigkeit bleibt der Struktur des Gebäudes astronomischer
Chronologie erhalten, die annimmt, daß sich keines der natürlichen
Elemente seit frühester Zeit verändert hat? Doch absichtlich unter-
nahm ich die Prüfung der Sothisperiodenchronologie ohne Rückgriff
auf die Argumente meiner anderen Bücher.
»Drei Pfeiler« der Weltgeschichte
Die »astronomische Chronologie« ist ein Gerüst des wissenschaftlichen
Gefüges der ägyptischen Geschichte und folglich der Geschichte der
Alten Welt. Innerhalb dieses Rahmens wurden die Dynastien Ma-
nethos entlang der Jahrhunderte angeordnet; die historischen Pharao-
nen wurden in das Schema Manethos gemutmaßt. Ramses I. der 19.
Dynastie, den Manetho nicht erwähnt, wurde als der Menophres des
Theon identifiziert; die Ära von Theons Menophres wurde als die
Sothisperiode des Censorinus ausgelegt; das Datum, +139, wurde als
das Ende dieser Periode angesehen, und –1321 wurde als das Jahr
Ramses' I. festgelegt; die Zeit der Könige der 18. und 19. Dynastie
wurde mit vagen Kalkulationen von Mondfesten berechnet.
Die Spezialisten der astronomischen Chronologie machten ihre Kal-
kulationen und gaben ihre Expertenresultate bekannt. Die Spezialisten
für Keramik nahmen die Resultate der Spezialisten für Sothisberech-
nung als feste Basis, um darauf aufzubauen. Spezialisten für Kunstge-
12 L. Borchardt, Quellen, II, 33, Anm.
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schichte, Religionsgeschichte, Philologie und allgemeine Geschichte
folgten. Schwierigkeiten wurden hinweggeschwemmt, die Erkenntnis-
se der Spezialisten bestätigten sich untereinander, und so sind sie im
Besitz wissenschaftlicher Beweise, daß ihre Systeme mit Präzision kon-
struiert und rundum gut befestigt sind. Die Keilschriftleser leihen sich
Daten von den Hieroglyphenlesern; die Bibelexegeten von den Ar-
chäologen; die Historiker von allen. So entstand ein ausgefeiltes, ver-
schanztes System, das sehr wenig Ähnlichkeit mit der realen Vergan-
genheit hat.
Das Sothis-Schema der Alten Chronologie ist in einem Trugschluß
verwurzelt; Menophres ist unbekannt, wenn er überhaupt jemand ist;
Manethos Dynastienliste ist ein wirrer Irrgarten. Dennoch ist die
Chronologie Ägyptens auf diesen drei »Pfeilern« errichtet, und die
Geschichte der Welt auf dieser Chronologie.
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KLIPPEN DER RADIOKARBONMETHODE
Als 1952 W. F. Libby seine neue Radiokarbonmethode zur Altersbe-
rechnung von organischen Stoffen vorstellte – d. h. zur Kalkulation der
Zeit, die seit dem Eintreten des Todes einer Pflanze oder eines Tieres
verflossen ist –, war er sich der Grenzen der Methode sowie der Bedin-
gungen, unter denen ihre theoretischen Werte stichhaltig sein würden,
sehr wohl bewußt:
A. Von den drei Speichern, in denen sich das radioaktive Kohlen-
stoffisotop 14C auf der Erde ansammelt – der Atmosphäre, Biosphäre
und Hydrosphäre – ist letzterer der größte: die Ozeane mit ihren Mee-
ren. Die Genauigkeit der Methode ist weitgehend von der Vorausset-
zung abhängig, daß sich während der letzten vierzig- oder fünfzigtau-
send Jahre die Wassermenge in der Hydrosphäre (und das dorthin
gelangte 14C) nicht maßgeblich verändert hat.
B. Die Methode ist außerdem davon abhängig, daß während der
gleichen Periode die von den Sternen und der Sonne zuströmende Hö-
henstrahlung keiner wesentlichen Veränderung unterworfen war.
Um die Tauglichkeit der Methode zu überprüfen, bevor sie auf alle
möglichen historischen und paläontologischen Stoffe angewendet
wurde, wählte Libby Material aus der ägyptischen Archäologie: Er war
der Meinung, daß kein anderes mehr als 2000 Jahre altes Material so
gut gesicherte absolute chronologische Daten aufwies. Als Objekte aus
dem Alten und Mittleren Reich Ägyptens C14-Daten lieferten, die mit
den historisch ermittelten Daten einigermaßen vergleichbar erschie-
nen, veröffentlichte Libby seine Methode.
Die Methode schien zunächst zu funktionieren, wenn für den An-
fang hohe Fehlerquoten in Rechnung gestellt
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