Die Seevölker
wi-
derspiegeln, dann ist das von uns hier angebotene Schema von jedem
Verdacht der Willkür und der Einseitigkeit befreit –
»Ach, Liebe, könnten du und ich, wie Gott,
Dies jammervolle Schema ganz begreifen!
Würden wir's nicht in Stücke reißen und
Nach unsern Herzenswünschen neu gestalten?«1
Sollte dieses revidierte Schema der Geschichte die Herausforderung
1 Nach E. Fitzgeralds Übersetzung des Rubaijat von Omar Chajjam.
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bestehen, dann müßte anerkannt werden, daß wir auf dem Weg zur
Erkenntnis des wirklichen Ablaufs der wahren Geschichte einen we-
sentlichen Fortschritt erzielt haben.
Bei der Revision dieses Abschnitts der Geschichte können wir aus
einleuchtenden Gründen keine Hilfe aus den Schriften oder assyrisch-
babylonischen Quellen erwarten: zu Beginn des vierten Jahrhunderts
vor der Zeitwende war das Alte Testament bereits abgeschlossen oder
dem Abschluß nahe, und seine zeitlich spätesten Abschnitte – die Bü-
cher Esther, Nehemia und Esra – befassen sich mit der Periode vor
Ramses III.; Assyro-Babylonien aber existierte damals als Staatsgebilde
nicht mehr. Dagegen könnten wir das erforderliche Vergleichsmaterial
in den Schriften der griechischen Autoren finden.
Es war das vierte Jahrhundert, und es war bereits ein Jahrhundert
weniger sechs Jahre vergangen, seit Äschylus zum erstenmal im Wett-
streit mit Sophokles gelegen hatte; Perikles, nach dem das Goldene
Zeitalter Athens benannt worden war, war seit etwa fünfzig Jahren tot.
Auch Sokrates war schon gestorben. Die Frösche des Aristophanes wa-
ren bereits seit einigen Jahrzehnten gelesen und aufgeführt worden.
Wir werden uns nicht dem Historiker Thukydides zuwenden, um
etwas über Ramses III. zu erfahren; der Historiker starb kurz nach -400.
Wir können uns auch nicht mit den Werken Herodots befassen: als er
Ägypten bereiste, war Ramses III. noch gar nicht geboren.
Wenn die biblischen Quellen keine Informationen mehr vermitteln,
stehen uns die zeitgenössischen Berichte der griechischen Autoren zur
Verfügung. In diesen Annalen und Chroniken, die von Historikern
einer späteren Generation als der von Herodot und Thukydides ge-
schrieben worden sind, kommen die ägyptischen Könige Nepherites,
Hakoris, Nektanebos L, Teos und Nektanebos II. häufig vor. Die Ägyp-
tologen rechnen diese späteren Pharaonen zur sogenannten 29. und
zur 30. Dynastie (den beiden letzten einheimischen Dynastien vor der
Wiedereroberung Ägyptens durch die Perser, ein Jahrzehnt vor der
Eroberung Ägyptens durch Alexander). Nektanebos I., der von –379
bis –361 regierte, ist unter diesen letzten einheimischen Pharaonen die
über-ragende Figur. Wenn aber, wie hier behauptet wird, Ramses III.
nicht im zwölften, sondern im frühen vierten Jahrhundert gelebt hat,
wer ist dann Nektanebos, der zur selben Zeit lebte?
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Wir werden beweisen, daß es sich bei dem Pharao, von dessen di-
versen Namen die modernen Historiker den Namen Ramses III. aus-
gewählt haben, um Nektanebos I. griechischer Autoren handelt. Da sie
zur gleichen Zeit lebten und nicht durch acht Jahrhunderte voneinan-
der getrennt waren und da sie beide Pharao in Ägypten waren, gibt es
nur die einzige Alternative, beide als ein- und dieselbe Person zu iden-
tifizieren. Und, wenn wir die Berichte von Ramses III. und die griechi-
schen Schilderungen von Nektanebos I. miteinander vergleichen, dann
wird uns klar werden, daß die Details ihrer Persönlichkeit, ihres Le-
benslaufs, ihrer Regierungszeit und ihrer Kriege einander in so star-
kem Maße ähneln, daß Willkür oder Zufall bei ihrer Identifizierung
ausgeschlossen sind. Außerdem werden wir feststellen, daß auf gewis-
sen Inschriften Ramses III. den Namen Necht-a-neb als einen seiner
königlichen, sogenannten Horus-Namen benutzte.
Ramses III. hat uns Annalen über seinen Krieg mit den Pereset und
mit den Seevölkern hinterlassen. Der in griechischer Sprache schrei-
bende Historiker Diodor Siculus hat im letzten Jahrhundert vor unse-
rer Zeitrechnung detailliert über den Krieg berichtet, den Nektanebos
I. gegen die Perser und die griechischen Söldner geführt hat. Diodor,
der die Jahre von –60 bis –57 in Ägypten verbrachte, standen offen-
sichtlich viele Dokumente und Quellen zur Verfügung, als er die Ge-
schichte der letzten einheimischen Pharaonen-Dynastien in Ägypten
verfaßte. Wir werden die beiden Darstellungen einem ganz rigorosen
Vergleichstest
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