Die Seevölker
Formation rasch vor-
wärtsbewegen (Abb. 4).
Aber in der großen Schlacht an der Mündung des Nils erscheinen
die Seevölker mit ihren Horn-Helmen – jetzt ohne Scheiben (Abb. 11)
zwischen den Hörnern – auf den Kriegsschiffen der Gegner, und die
ägyptische Flotte schlägt sowohl die Schiffe der Pereset als auch dieje-
nigen der Seevölker in die Flucht. Eine Anzahl von Kriegern der Pere-
set und der Seevölker befindet sich auf den ägyptischen Schiffen, aber
es handelt sich bei ihnen um in Fesseln gelegte Gefangene.
Nach der Schlacht erkennen wir, wie die Gefangenen mit gefessel-
ten Armen und Hälsen und durch Seile aneinandergebunden abtrans-
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portiert werden; unter ihnen befinden sich sowohl Pereset als auch
Soldaten der Seevölker (Abb. 12, 13).
Was bedeutet dieser Rollentausch? Zunächst unterstützten die Pere-
set und die Seevölker den Pharao. Dann verbünden sich die Armeen
der Seevölker mit den Ägyptern, und die Pereset treten als Feinde auf.
Abb. 10: Die Ägypter kämpfen, unterstützt von den Seevölkern, gegen die Soldaten der
Pereset. Dies reflektiert die Situation, als Chabrias in ägyptischem Dienst stand und die Perser aus dem Land vertrieben wurden.
Schließlich treten sowohl die Seevölker als auch die Pereset als
Feinde in Erscheinung, die eine Invasion beabsichtigen.
Bei den Pereset handelt es sich um Kriegsherren. Sie unterstützten
den Pharao, wurden aber bald seine Hauptfeinde. Warum?
Bei den Seevölkern handelt es sich um Söldner – um tapfere Krie-
ger. Sie wechselten ihre Bündnispartner. Warum?
Die Texte, die diese Wandreliefs begleiten, erklären nicht den
Grund für diesen seltsamen und wiederholten Rollentausch von
Bündnispartnern zu Feinden in diesen Schlachten.
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Abb. 11: Die ägyptische Flotte Ramses' III. zerstört die Flotte der Pereset. Nun sind die Seevölker Verbündete der Pereset. Die Helme der Seevölkersoldaten haben die Hörner,
aber keine Scheiben dazwischen. (Ausschnitt) 74
Abb. 12: Die Pereset als Gefangene des ägyptischen Königs.
Um die Zeit Ramses' III. als dem vierten Jahrhundert zugehörig und
ihn selbst als das alter ego eines der letzten einheimischen Pharaonen
auf dem ägyptischen Thron zu identifizieren, unterwerfen wir unser
Schema einem sehr interessanten Test. Zu Beginn des vierten Jahrhun-
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derts, und zwar kurz nach der Zeit, in der Arsames die Macht besaß,
von Ägypten Tributleistungen zu verlangen und dort auch die Ge-
richtsbarkeit auszuüben, kam es in Ägypten zu politischen und militä-
rischen Entwicklungen, an denen sowohl die Perser als auch die Grie-
chen beteiligt waren. Wenn wir auf der richtigen Spur sind, dann muß
die Abfolge der Ereignisse so aussehen, daß zuerst die Perser und die
Griechen den Pharao in seinen Bemühungen unterstützen, die Ord-
nung an seiner Westfront aufrechtzuerhalten; dann würden ihn die
Griechen unterstützen, die Perser aber seine Feinde werden; in der
dritten Phase würden dann sowohl die Griechen als auch die Perser zu
Feinden des Pharao werden und es käme zu einer Seeschlacht an einer
der Nilmündungen, bei der die Ägypter allein gegen die Perser und
Griechen kämpfen.
Abb. 13: Die Ägypter führen Gefangene der Seevölker und der Pereset ab.
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Griechische Söldner wechseln die Fronten
Zur Zeit seiner Thronbesteigung pflegte Nektanebos I. freundliche
Beziehungen zu den Persern. Es ist sogar vorstellbar, daß er den Thron
als Marionette der Perser innehatte, denn er war nicht der Sohn von
Hakoris, der gegen den persischen Großkönig eine unfreundliche Poli-
tik entwickelt hatte. Zu Beginn seiner Regierungszeit mußte Nektane-
bos I. die Westfront seines Reiches verteidigen; die Cyrenaica und Li-
byen befanden sich im Aufruhr, und auch Persien war seit der Regie-
rungszeit von Dareios daran interessiert, daß die westlichen Zugänge
zu Ägypten geschützt wären, damit die ständig zunehmende Macht
Karthagos nicht ermutigt wurde, sich in dieser Richtung hin auszudeh-
nen. So wie die Politik der persischen Könige darauf abzielte, die
Athener in ihren Kriegen gegen die Spartaner zu unterstützen, obwohl
die Athener durch ihre Kriege gegen Persien eine relative Freiheit be-
wahrt hatten, so halfen die Perser auch dem ägyptischen König, der
inzwischen ein gewisses Maß von Unabhängigkeit erlangt hatte, in
seinen Grenzkonflikten mit den Libyern.
Aber wenige Jahre später begann der Pharao einen Krieg mit
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