Die Seevölker
verglichen
werden.
In diesem Buch ist ein Pylon (Portal) vom Totentempel Ramses'
(Medinet Habu) auf der jenseitigen Nilebene, gegenüber von Luxor,
abgebildet, sowie ein anderer Pylon des Chons-Tempels in Karnak;
letzterer wurde von Herihor aus der 21. Dynastie errichtet, und zwar
einhundert Jahre (nach der konventionellen Zeitrechnung), nachdem
Ramses III. den Tempel errichtet hatte, vor dem der Pylon steht.
Der Beschauer muß zwangsläufig beeindruckt sein von der auffal-
lenden Ähnlichkeit dieser beiden Pylone mit denen der ptolemäischen
Tempel in Edfu, in Kom Ombo, Philae und an anderen Orten. Zu Ver-
gleichszwecken werden die angeblich aus dem 12. und dem 11. Jahr-
hundert stammenden Pylone und diejenigen aus dem 3. und dem 2.
Jahrhundert in unmittelbar aufeinanderfolgenden Abbildungen ge-
zeigt. Auf den ersten Blick ist eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zu
erkennen. Bei näherer Betrachtung verdichtet sich dieser erste Ein-
druck zu der Überzeugung, daß wir es hier mit Monumenten aus ein
und derselben Ära von dicht aufeinander folgenden Generationen zu
tun haben, auf keinen Fall aber mit solchen, die in 800 bis 1000 Jahre
auseinanderklaffenden Generationen entstanden sind.
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Abb. 16: Der Pylon des während der sogenannten 21. Dynastie errichteten
Chonstempels.
Abb. 17: Edfu. Pylon des Horustempels aus der Ptolemäerzeit.
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Abb. 18: Pylon des Tempels Ramses' III. in Medinet Habu.
Abb. 19: Philae. Erster Pylon des Isistempels aus der Ptolemäerzeit.
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Ich überlasse es dem wißbegierigen Leser, die zahlreichen Details
zu überprüfen, die in den Pylonen von Ramses III. und Herihor (der
im weiteren Verlauf dieses Buches noch eingehender erörtert wird)
einerseits und in denen des hellenistischen Zeitalters anderseits iden-
tisch sind. Von der allgemeinen Formgestaltung bis hin zu vielen Ein-
zelmerkmalen ergibt dieser Vergleich eine so verblüffende Ähnlichkeit,
daß sich schon allein aus stilistischen Gründen die Behauptung nicht
aufrechterhalten läßt, einige dieser Tempel stammten aus dem Beginn
des 12. und aus dem Beginn des 11. Jahrhunderts, andere dagegen aus
dem dritten Jahrhundert und aus einer noch späteren Zeit.
Ein moderner Autor hat seine Verwunderung über die starke Ähn-
lichkeit zwischen dem Pylon von Philae (angeblich aus dem 4., in
Wirklichkeit jedoch aus dem fünften Jahrhundert) und dem großen Tor
von Medinet Habu zum Ausdruck gebracht, aber auch über die Ähn-
lichkeit in den Reliefszenen mit der Darstellung des Haremslebens und
der Opferung von Gefangenen.3 Und vor Jahrzehnten hat der Ägypto-
loge Adolf Erman festgestellt: »Und wenn wir nicht die Inschriften
lesen würden, dann kämen wir niemals auf die Vermutung, daß die
Tempel von Esna, von Edfu, von Dendera und von Philae in die Zeit
der Lagiden [nach Lagos, dem Vater von Ptolemaios I.], der Cäsaren
und der Antoninen gehören.«4
Von unserem Standpunkt aus erscheint es nur natürlich, daß auch
die Texte auf den Mauern der ptolemäischen Tempel starke Ähnlich-
keit mit den Texten auf den Tempeln von Ramses III. aufweisen soll-
ten. Jean Yoyotte, der den ptolemäischen Tempel in Edfu untersuchte,
war überrascht, auf den Wänden dieses von Ptolemäos VIII. (Soter II.)
vollendeten Tempels einen Text vorzufinden, in dem vom König die
Rede ist, der seine Feinde zerstört, »der die Meschwesch in Stücke
hackt, die Schasu abschlachtet und die Tjeker massakriert«. Yoyotte
wunderte sich über das Auftauchen der Namen von Völkern, die die
Ägypter bereits fast eintausend Jahre früher gekannt hatten und die
3 Philippe Derchain in: Bibliotheca Orientalis, Januar-März 1961, S. 48; Buchbesprechung von H. Junkers Der große Pylon des Tempels der Isis in Philä.
4 »Antonine« ist der Kollektivname für die sieben römischen Kaiser des 2. Jahrhun-
derts (von Nerva bis Commodus). Das Zitat stammt von A. Erman, in: The Historians'
History of the World, M. S. Williams, Hrsg., I (1907), 195.
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angeblich schon lange Zeit vor Alexander auf der historischen Bühne
nicht mehr in Erscheinung getreten waren.5 Eine Inschrift im Tempel
von Kom Ombo spricht von den Meschwesch, den Schasu und den
Tjeker-Völkern, die wir aus den Kriegen Ramses' III. als Feinde Ägyp-
tens kennen. »Nach dem gegenwärtigen Stand der historischen Doku-
mentation hat der einzige schwere Angriff der Tjeker – die zu den See-
völkern zählten – auf Ägypten während der
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