Die Seevölker
den Gott Amun, der in einem
Zustand von obszöner Erregung dargestellt ist. Aber mehr als alle die-
se Götter hat Ramses III. seine eigene Person verehrt. Der Tempel in
Medinet Habu wurde als Verehrungsort für sein eigenes erhabenes
Wesen gebaut. Es ist langweilig, die endlosen Selbstglorifizierungen zu
lesen. Die schlichteste von allen diesen Äußerungen ist noch seine be-
scheidene Feststellung: »Mein Charakter ist hervorragend.«
Eine Frage könnte gestellt werden: Hat der literarische Stil der hier
2 J. A. Wilson: »The Language of the Historical Texts Commemorating Ramses III«, in:
Medinet Habu Studies, 1928-29 (Chicago 1930), S. 32.
3 »Herr des Alls« ist allerdings ein Ausdruck, dem wir bereits in einer Sarginschrift aus der Zeit des frühen Mittleren Reiches begegnen: Erman-Grapow: Wörterbuch der ägyptischen Sprache, II, (1928), 230.
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erörterten Periode – jener der 20. Dynastie – starke Ähnlichkeit mit
demjenigen der beiden Dynastien, die nach der konventionellen Zeit-
tabelle unmittelbar vorausgehen? Die Antwort auf diese Frage könnte
als Argument für oder gegen die hier vorgebrachte Rekonstruktion
verwendet werden, und gleichermaßen auch für oder gegen die kon-
ventionelle Chronologie, nach der Ramses III. in der ersten Hälfte des
zwölften Jahrhunderts gelebt hat.
»Ein gebildeter ägyptischer Schreiber des zwölften vorchristlichen
Jahrhunderts, der in den Klassikern seiner Literatur wohlbeschlagen
war, hätte wohl den degenerierten Stil der Tempelschreiber seiner Zeit
beklagt. In der Erinnerung an die lebendig geschriebenen Kriegsanna-
len von Thutmosis III. wäre er entsetzt gewesen über den schwülstigen
und bombastischen Stil, unter dem Ramses III. seine Berichte erstickte.
Er wäre bedrückt gewesen über die bemühte Künstlichkeit, die ihren
Ausdruck noch in einer Vielzahl von Fremdwörtern und weit herge-
holter Metaphern fand. Hätte er sich auch noch an die strengeren
grammatischen Regeln erinnert, welche die Reinheit der klassischen
Literatur wahrten, dann hätte er nur grenzenloses Mitleid für diese
Schreiberlinge empfinden können, die sich zwar um die Anwendung
der alten Grammatik angestrengt bemühten, deren Bemühungen je-
doch zunichte gemacht wurden durch Ignoranz, Übereilung und
durch das bloße Gewicht der gesprochenen Sprache.«4
Aber gab es unter Ramses III. »einen gebildeten ägyptischen Schrei-
ber«? Sollte es ihn wirklich gegeben haben, dann hat er jedenfalls der
Nachwelt keine Spuren von seinen Fähigkeiten oder seinem Ge-
schmack hinterlassen. »Die Tempelinschriften seiner Zeit« – wie sie
beispielsweise in den Texten von Medinet Habu zum Ausdruck kom-
men – »sind schwülstig, nachlässig und grammatikalisch falsch«. Au-
ßerdem sind sie auf »stupide Weise pompös«. Die längeren Texte sind
voller »komplimentierender Vergleiche und jedes glorifizierende Bei-
wort, das sich die hart bedrängten Schreiber nur ausdenken konnten«,
und die kurzen Begleittexte zu den Reliefs »bestehen zum größeren
Teil aus Stakkatolobsprüchen auf den König, aus schmeichelhaften
Dialogen zwischen König und Gott, sowie aus den Lobgesängen der
4 Wilson: Medinet Habu Studies, 1928-1929, S. 24ff.
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Höflinge und Gefangenen des griechischen Dramenchors.«5 (Mit dem
Wort »griechisch« beabsichtigte der Autor dieser Passage nicht, einen
Hinweis auf das Alter dieser Texte oder auf die völkische Herkunft der
Höflinge oder der Gefangenen zu geben – es wurde nur dazu benutzt,
den Eindruck zu beschreiben, der durch solche im Chor vorgebrachte
Äußerungen entstand.)
Die »ständige Betonung der Tatsache, wie herrlich und tapfer der
Pharao sei«, konnte bedeuten, daß es hier darum ging, einen »mittel-
mäßigen Herrscher auf das Niveau seiner Vorgänger anzuheben, oder
wahrscheinlicher noch, daß der abgestumpfte Geschmack seines Vol-
kes nach einer exotischeren und stärker gewürzten Kost verlangte«.
Die großsprecherischen Äußerungen sind wie »schmetternde Blechblä-
ser und klingelnde Becken«.
Was die Grammatik betrifft, so versuchte der Schreiber von Ramses
III. »sich eines Stils zu bedienen, der aus der Mode gekommen war«. Er
benutzte falsche Archaismen, und das deutete darauf hin, daß nicht
wenige der Formen schon seit längerer Zeit nicht mehr im Gebrauch
waren. »Eine gewisse Unbestimmtheit« im Gebrauch der angemesse-
nen Etymologie »zeigt uns, daß die damals gesprochene
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