Die Seevölker
später
aufgesucht, als Ägypten unter persischer Regierung stand, und als die
Zeit der Eroberung Ägyptens durch Kambyses und die mit ihr ver-
bundenen Leiden und Härten im Gedächtnis der Menschen noch sehr
lebendig waren.
Nach Herodots Schilderung »verübte Kambyses noch viele
wahnsinnige Taten gegen die Ägypter und gegen die Bundesgenossen.
Dabei blieb er in Memphis, ließ alte Gräber öffnen und betrachtete die
3 G. Fecht: »Der Moskauer literarische Brief‹ als historisches Dokument«, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache, 87 (1962).
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Leichname. So kam er auch in das Heiligtum des Hephaistos und spot-
tete über das Götterbild … Hier ist es ganz klar, daß Kambyses
wahnsinnig war. Er hätte sonst die fremden Gottheiten und Gebräuche
nicht verhöhnt« (Herodot: III, 37–38).
Er ließ Kinder töten; »du tötest sogar Knaben«, sind die Worte, die
Herodot dem ehemaligen Lyderkönig Kroisos in den Mund legt, der
Kambyses als Gefangener begleiten mußte (Herodot: III, 36).
Nach einem Aufenthalt in Memphis unternahm Kambyses einen
Feldzug gen Süden, den Nil entlang. Nach seiner Rückkehr nach
Memphis, »ließ er die Hellenen zu Schiff nach Hause fahren« (Hero-
dot: III, 25).
In der Geschichte des Herodot und im Klagebrief des Ourmai be-
gegnen wir ähnlichen Klagen über Sakrilegien gegenüber Göttern und
den Toten, über geöffnete Gräber und auf der Erde verstreute Leichen,
über Grausamkeiten gegenüber der Bevölkerung und sogar gegen
Kinder; sowohl der Papyrus als auch Herodot beziehen sich auf einen
Feldzug am Fluß entlang; beide Quellen berichten vom Abzug der
Schiffe. Eine von Herodot berichtete Geschichte aus den ersten Tagen
der Eroberung Ägyptens durch Kambyses läßt uns an Ourmai und
seinen Klagebrief denken:
»Am zehnten Tage nach der Eroberung der Stadt Memphis hieß Kambyses
den ägyptischen König Psammenitos, der nur sechs Monate König gewe-
sen war, mit anderen vornehmen Ägyptern draußen vor das Tor gehen
und sich setzen; er wollte durch ein entehrendes Schauspiel seine Stand-
haftigkeit auf die Probe stellen. Des Königs Tochter mußte ein Sklaven-
kleid antun und mit dem Wasserkruge draußen Wasser holen. Mit ihr
schickte er die Töchter der vornehmsten Ägypter, in gleichem Aufzuge,
wie die Königstochter, hinaus. Als die Jungfrauen schreiend und klagend
an ihren Vätern vorübergingen, schrien und klagten auch die Väter über
die Schande ihrer Kinder. Nur Psammenitos senkte, als er sie kommen sah,
den Blick zur Erde. Als die Wasserträgerinnen vorüber waren, schickte
Kambyses auch des Königs Sohn mit zweitausend Altersgenossen heraus,
den Hals mit einem Strick umschnürt und den Mund verstopft … Als der
Vater sie daherkommen sah und merkte, daß sein Sohn zum Tode geführt
wurde, tat er dasselbe wie vorher bei seiner Tochter, während die anderen
Ägypter, die um ihn herum saßen, ihn beklagten und bejammerten. Als
auch diese vorüber waren, kam zufällig einer von des Psammenitos Tafel-
runde daher, ein alter Mann, der sein Hab und Gut verloren hatte und bei
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den Soldaten betteln gehen mußte. Der ging jetzt an Psammenitos, Amasis'
Sohn, und den anderen vor dem Tore sitzenden Ägyptern vorüber. Als
Psammenitos ihn sah, weinte er laut, rief den Freund bei Namen und
schlug sich an die Stirn …
›Die Leiden meines Hauses sind zu groß, um über sie zu weinen; aber des
Freundes Not verdiente meine Klagen, denn er ist aus einem reichen Man-
ne ein Bettler geworden, und dazu naht ihm das Alter.‹«4
Ourmais Klagebrief liefert unterstützendes Beweismaterial für den
Bericht von Herodot. Er ist ein Zeugnis gegen den Konsens unter mo-
dernen Historikern, daß Herodot ein zu düsteres Bild gemalt habe und
der Bericht über die Sakrilegien des Kambyses in Ägypten erfunden
worden sei. Es wäre sogar denkbar, daß der Klagebrief von Ourmai,
einem Verwandten des Königs, als Vorlage für die hier zitierte Szene
aus dem Werk Herodots gedient hat; auch Ourmai hat die Besatzungs-
soldaten um Brot angebettelt.
Von Dareios I. bis zu Artaxerxes I.
Nach dem Fall von Memphis leistete Ägypten Kambyses keinen weite-
ren Widerstand mehr. Der Perser beabsichtigte, Karthago anzugreifen,
aber die Tyrer weigerten sich, ihre Schiffe für die Eroberung des Staa-
tes zur Verfügung zu stellen, der von Kolonisten aus Phönikien be-
gründet worden war. Nunmehr schickte Kambyses von Theben aus
eine Streitmacht
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