Die Seevölker
König – wurden in die Mauern einge-
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meißelt. Ihr Entzifferer, Heinrich Brugsch, räumt ein, daß ohne die
direkte Erwähnung in diesen Texten nicht zu vermuten wäre, daß Set-
tu-Re Dareios bedeutet: Aber er wurde auch mit seinem persischen
Namen Endareios angerufen. »Amun des starken Armes« wurde in
dem Tempel von el-Chargeh verehrt, und es scheint, daß sich hier ein
Synkretismus mit dem Mazdaischen Pantheon herauszubilden begann.
Brugsch, der el-Chargeh 1877 aufsuchte, beobachtete, daß – entspre-
chend einem Text auf einer in Luxor gefundenen Stele – die Oase wäh-
rend der Antike als Exil für politische Gefangene benutzt worden war.
Dort befanden sie sich weit weg vom stark bevölkerten Niltal, und sie
standen gleichzeitig unter der Aufsicht von Militärpriestern. Auf einer
der folgenden Seiten werden wir die in Luxor gefundene Stele erör-
tern.
Mit den militärischen Grenzkommandos, die unter dem Oberbefehl
von Priestern mit fürstlichem Status standen, wollte Dareios offensicht-
lich die ägyptische Westgrenze gegenüber dem Einsickern von liby-
schen Banden absichern; oder es ist durchaus denkbar, daß er hier
Vorkehrungen gegenüber der wachsenden Macht Karthagos, noch
weiter im Westen, treffen wollte.
Es ist nicht bekannt, wann ein ähnlicher Außenposten – ein Fort
und ein Tempel – in der nördlichen Oase Siwa errichtet wurde, aber
vermutlich wurde er zum gleichen Zeitpunkt gebaut wie der südliche
Stützpunkt – und ebenfalls auf Anordnung von Dareios I. Er wurde
bald berühmt wegen seines Orakels, und das »Ammon-Orakel« (die
Griechen schrieben den Namen mit einem Doppel-m) genoß ein hohes
Ansehen unter den Libyern und unter den Ägyptern, und sein Ruhm
verbreitete sich weithin. In seinen Vögeln (–414) erwähnt Aristophanes
in Passagen über Orakel das Amun-Orakel neben den Orakeln von
Delphi und von Dodona. Die Antworten des Amun-Orakels waren in
der Regel verschmitzt abgefaßt: Häufig ließen sich die nachfolgenden
Ereignisse als Erfüllung des Orakelspruchs interpretieren. So etwa, als
während des Krieges zwischen Athen und Syrakus Amun prophezeite,
die Athener würden alle Syrakusaner gefangennehmen; die Athener
erbeuteten dann nur ein feindliches Schiff, allerdings mit den Einwoh-
nerlisten von ganz Syrakus. Pindar schrieb zu einem früheren Zeit-
punkt eine Hymne oder Ode an Amun, und sechshundert Jahre später
sah Pausanias in der Oase eine dreiseitige Stele mit dieser Hymne. Die
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ägyptischen Priester nutzten die Popularität, die ihr Orakel bei den
Griechen genoß und verbreiteten die Nachricht, Herakles selbst habe
dort um Rat nachgesucht. Philipp von Makedonien, Vater Alexanders,
hatte einen beunruhigenden Traum, und er bat das Orakel in Delphi
um eine Interpretation; dort erhielt er den Bescheid, Amun zu ehren –
so berichtet Plutarch; wie wahr diese Geschichte ist, können wir nicht
beurteilen.
Ägypten, das unter den Persern seine Selbständigkeit verloren hatte
und zu einer Satrapie gemacht worden war, besaß trotzdem ein gewis-
ses Maß an Selbstverwaltung als theokratischer Staat. Priester wurden
zu militärischen Kommandeuren ernannt, die Tempel erfreuten sich
einer gewissen Protektion, und das Land, ohne eigene autonome zivile
Regierungsbehörde, fiel in eine Art Lehnsabhängigkeit gegenüber den
Tempeln und der Priesterschaft.
Eine ähnliche Politik der Schaffung eines theokratischen Lehnsher-
rentums verfolgten die Perser in Juda. Kyros erließ ein Dekret zur Er-
mächtigung des Wiederaufbaus des von Nebukadnezar zerstörten
Tempels von Jerusalem und zur Bewilligung der Rückkehr der ver-
bannten Bevölkerung; diese kehrte aus Babylon zurück, und ihre An-
führer waren Zerubbabel, der designierte Gouverneur, und Jeschua,
der Sohn des Jozadak, der designierte Hohepriester. Sie errichteten
einen Altar für Brandopfer, »aber der Grund des Tempels des Herrn
war noch nicht gelegt« (Esra, 3:6). Sie gaben »Geld den Steinmetzen
und Zimmerleuten und Speise und Trank und Öl denen zu Sidon und
zu Tyros, daß sie Zedernholz vom Libanon aufs Meer gen Japho [Jaffa]
brächten, nach dem Befehl des Kores, des Königs in Persien an sie«
(Esra, 3:7). Aber das Volk im Lande, meist Nachkommen von Koloni-
sten, die von den assyrischen Königen Sargon, Sennacherib und
Asarhaddon ins Land gebracht worden waren, »dingten Ratgeber wi-
der sie [die Zurückgekehrten] und verhinderten ihren Rat,
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