Die Seevölker
ägyptischen Dokumenten der 21. Dynastie
waren Perser; sie zogen Steuern ein, führten Gerichtsprozesse durch
und »ein jeglicher, der nicht mit Fleiß tun wird das Gesetz deines Got-
tes und das Gesetz des Königs, der soll sein Urteil um der Tat willen
haben, es sei zum Tod oder in die Acht oder zur Buße am Gut oder ins
Gefängnis« – wie es in einem persischen Dekret heißt, das im Buch
Esra zitiert wird (7:26). Die Residenzstadt ist die persische Hauptstadt;
Pinehas, welcher Nationalität er auch immer gewesen sein mag –
Ägypter oder Fremdling –, war ein persischer Statthalter. Er war es,
der an der Spitze der »Barbaren« Theben und seine Tempel besetzte.
Würden wir den Versuch unternehmen, den Zeitpunkt und die
Umstände der Amtsenthebung des Amenhotep näher zu bestimmen,
dann würden wir vor allem untersuchen, welcher Zeitpunkt in unse-
rem Rekonstruktionsschema am besten zu dieser Schilderung von der
Besetzung der Tempel durch die »Barbaren« passen könnte. Es ist der
Augenblick, da Artaxerxes I. den Thron bestieg und den Bemühungen
der Ägypter, ihre Unabhängigkeit wiederzugewinnen, mit harten
Maßnahmen entgegentrat. Wenn diese Vermutung zutrifft, war es um
–458. Es würde folgen, daß Herihor nicht unmittelbar nach der Amts-
enthebung von Amenhotep als Hoherpriester Amuns ernannt worden
ist, sondern einige Jahre später.
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Kapitel II
DAS GERINGSTE DER KÖNIGREICHE
»Ein kindisches Gereise«
Seit den Tagen der persischen Eroberung unter Kambyses war Ägyp-
ten das geringste der Königreiche gewesen (Hesekiel, 29:15). Die Pro-
phezeiungen von Jeremia und Hesekiel, die Entwürdigung betreffend,
hatten sich erfüllt, wohl nicht zu ihrer Zeit, aber gegen Ende der Regie-
rungszeit von Amasis, als Kambyses Ägypten unterwarf, seine Bevöl-
kerung demütigte und seine Tempel zerstörte – und das gleiche gilt
auch während des größten Teils der persischen Herrschaftsperiode für
die nachfolgenden Generationen.
Als Golenischtschew den Papyrus mit Ourmais Klagebrief erwarb,
erhielt er bei der gleichen Transaktion einen Papyrus mit einer weite-
ren Klagegeschichte – den Bericht Wenamuns über seine Handelsex-
pedition nach Byblosan der syrischen Küste. Wie der Klagebrief von
Ourmai, datiert auch der Reisebericht des Wenamun aus der 21. Dyna-
stie; beide waren von der gleichen Hand kopiert; aber man geht davon
aus, daß sich Wenamuns Bericht auf Ereignisse bezieht, die mehrere
Generationen später stattgefunden haben. Während Ourmais Brief erst
in jüngster Zeit übersetzt und veröffentlicht wurde I (1961), ist Wena-
muns Bericht bereits vor langer Zeit veröffentlicht worden – und zwar
1899 von Golenischtschew selbst.
Kein Dokument vermittelt eine bessere Vorstellung vom geringen
internationalen Ansehen Ägyptens zur Zeit der späteren Perserherr-
schaft als Wenamuns Bericht über seine Erfahrungen.
Der Priester Wenamun wurde von seinem Vorgesetzten, dem Ho-
henpriester Herihor, nach dem Libanon geschickt, um dort Zedernholz
für den Bau einer heiligen Barke des Amun zu erwerben. Als er Tanis
im Nildelta erreichte, überreichte er dem Gouverneur von Unterägyp-
ten Nesubanebded und dessen Frau Ta-net-Amun Empfehlungsschrei-
ben, und die Briefe wurden in ihrer Gegenwart verlesen. Sie schickten
ihn mit dem Schiffskapitän Mengebet auf die weitere Reise.
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Bevor Wenamun Byblos erreichte, gingen ihm das Gold und das
Silber verloren, das er zur Bezahlung des Holzes für die heilige Barke
mit sich führte: als sein Schiff in Dor, »einer Stadt der Tjeker an der
palästinischen Küste ankerte, verschwand ein Matrose mit einer gol-
denen Vase, vier Silberkrügen sowie mit einem »Sack voll Silber« –
offensichtlich ein Beutel mit Silbermünzen. Wenamun blieb neun Tage
lang in Dor, beklagte sich beim örtlichen Fürsten Bedel und machte ihn
dafür verantwortlich, den Dieb zu finden. Bedel wies das Ansinnen
eines Schadenersatzes von sich und machte darauf aufmerksam, daß
der Dieb kein Einwohner seiner Stadt wäre, sondern ein Matrose des
Schiffes. Wenamun setzte seine Reise nach Byblos fort.
Die Mißgeschicke, die ihm auf der Reise widerfuhren, die Intoleranz
und Verachtung, auf die er in den syrischen Städten wegen seiner
ägyptischen Herkunft und Staatsbürgerschaft stieß, der Mangel an
Schutz auf hoher See, werden in seinem Reisetagebuch lebendig be-
schrieben.1
In jener Zeit war das Reisen in Syrien gefahrvoll.
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