Die Seevölker
König«8, aber da sowohl Ramses IX. als auch Ram-
ses XI. erst vor kurzem regiert hatten, würde ein Priester und Beamter,
wie Wenamun es war, es nicht unterlassen, sie mit dem Titel ›König‹
auszuzeichnen, wenn er von ihnen spricht – eine solche Titulierung
war eine Forderung der Höflichkeit und Wohlerzogenheit, gegen die
ein Priester und ein Schreiber niemals verstoßen würde.9 Als Wena-
mun die beleidigende Aufforderung ablehnte, die Gräber jener Abge-
sandten aufzusuchen, die während der Regierungszeit von Chaemwe-
se dort eingetroffen waren, sagte er: »Zeigt es mir nicht. Bei Cha-em-
wese10 waren es Menschen, die er zu euch als Gesandte schickte, und
er war selbst ein Mensch.« Wilson kommentiert: »Damit scheint die
Möglichkeit ausgeschlossen, daß es sich bei Khaem-Waset um Ramses
IX. handelt, denn Wen-Amon [Wenamun] würde wohl kaum einen
Pharao einfach nur als ›Mensch‹ bezeichnen.«11
Der Pharao, der unter dem Namen Ramses IX. bekannt ist, war ein
Zeitgenosse von Herihor, aber der als Ramses XI. bekannte Pharao
muß vor ihm regiert haben, da er in einem Relief dargestellt wird, wie
ihm vom Hohenpriester Amenhotep Blumen gereicht werden. Beide
diese Könige gehören ins fünfte Jahrhundert; beide benutzen den Na-
men Chaemwese. Der Hinweis im Papyrus des Wenamun muß sich
auf den früher Regierenden von diesen beiden beziehen, der während
der Anfangsphase der Regierungszeit von Artaxerxes I. zusammen mit
dem Hohenpriester Amenhotep seines Postens enthoben wurde.
Höchstwahrscheinlich war es der Inaros der griechischen Quellen, der
gegen Artaxerxes I. rebellierte. Eine Hypothese, daß Chaemwese für
8 Gardiner: »The Twentieth Dynasty«, Egypt of the Pharaohs, S. 311.
9 Korostowtsew: Pooteshestviye, S. 34.
10 In seiner Übersetzung des Papyrus benutzt Gardiner die Schreibweise Khaemwise.
11 Wilson, in: Ancient Near Eastern Texts, (1. Auflage), S. 28, Anmerkung 35.
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Kambyses steht, würde auf philologische Schwierigkeiten stoßen.
Der andere Name im Wenamun-Papyrus, der zu Kopfzerbrechen An-
laß gab, ist der des Schiffsmagnaten, dessen Hauptsitz sich in Tanis im
Nildelta befand. Von ihm sagte der Fürst von Byblos, daß allein fünf-
zig Schiffe »sich in Verbindung mit Birkath-El befinden« und »zu sei-
nem Hause« segelten.
In seinem Buch über Wenamuns Reise ist der hervorragende deut-
sche Ägyptologe A. Erman zu dem Schluß gekommen, daß die richtige
Entzifferung der Hieroglyphen w-r-k-t-r Birkath-El lauten muß, da die
Hieroglyphen nur ein einziges Zeichen für r und l haben, und da w und b austauschbar sind.12 Der Name Birkath-El, so folgerte Erman,
weist auf den semitischen Ursprung dieses Schiffsmagnaten hin,
höchstwahrscheinlich war er ein Phönikier; er bedeutet soviel wie
»Gottes Segen« und ist ähnlich konstruiert wie viele andere semitische
Namen mit der Endung el.
M. Burchhardt führte noch weitere Argumente zugunsten von Er-
mans Interpretation dieses Namens an, aber er stellte sie andererseits
auch in Frage, weil zwar die Ägypter der Spätzeit die Konsonanten b
und w untereinander austauschten, das zehnte oder elfte Jahrhundert
seien aber für eine derartige lexikographische Laxheit ein entschieden
zu früher Zeitpunkt gewesen.13
Im Jahre 1924 veröffentlichte R. Eisler eine Abhandlung unter dem
Titel »Barakhel Sohn und Cie. Reedereigesellscheft in Tanis«14; darin
lenkte er die Aufmerksamkeit auf die Tatsache hin, daß eine späthe-
bräische Quelle einen Hinweis auf die gleiche Reedereigesellschaft
enthält. Das Testament des Naphtali (aus den Testamenten der zwölf
Patriarchen, die zwölf Söhne Jakobs )berichtet von einer Reedereigesellschaft namens »Berakhels Sohn«. Das Testament des Naphtali ist ein
pseudoepigraphisches Werk, dessen Entstehung um –148 angesetzt
wird – das Jahr, in dem Jonathan aus dem Haus der Haschamanaim
(Makkabäer) Jaffa eroberte und so den Zugang zum Meer und zum
Seehandel eröffnete.
12 A. Erman: a.a.O., S. 230.
13 M. Burchhardt: Die Altkanaanäischen Fremdworte und Eigennamen im Ägyptischen, (Leipzig 1909-10).
14 Zeitschrift der Morgenländischen Gesellschaft, Bd. 78 (Bd. 3 der Neuen Reihe), 1924, S.
61-63.
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Im Testament wird von der Vision eines Schiffs erzählt, das in der
Nähe der Küste von Jaffa ohne Schiffsbesatzung und ohne Passagiere
vorbeifährt. Aber auf dem Mast steht der Name des Schiffseigners:
Sohn des Berakhel.
Der Name Berakhel bedeutet
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