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Die Segel von Tau-Ceti

Die Segel von Tau-Ceti

Titel: Die Segel von Tau-Ceti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McCollum
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durchkreuzen.
    Das Licht, das durch die transparente Kuppel des großen Saals fiel, wurde von Minute zu Minute schwächer. Als sich schließlich Dunkelheit über die Welt draußen legte, brach drinnen Panik aus. Tory hatte noch nie eine Sonnenfinsternis gesehen - die Monde des Mars waren dafür zu klein. Nur der innere Mond vermochte überhaupt einen Schatten auf die Marsoberfläche zu werfen, und auch nur einen schwachen.
    Aber sie wusste natürlich, was eine Sonnenfinsternis war, und staunte über die psychologische Wirkung, die die Finsternis auf sie ausübte. Es war, als ob die abergläubische Todesangst von tausend Ahnengenerationen, die die Dunkelheit gefürchtet hatten, plötzlich wie ein Vulkan ausbrach. Ihre Reaktion war umso erstaunlicher, weil diese Sonnenfinsternis ihre Idee gewesen war. Sie fragte sich, was den Menschen nun durch den Kopf gehen musste, die keine Ahnung hatten, was mit der Sonne geschehen war.
    Bei einer natürlichen Sonnenfinsternis zieht der Kernschatten von Luna in einem weniger als fünfhundert Kilometer breiten Band über die Erde hinweg, während man in einer Zone von ein paar hundert Kilometern auf beiden Seiten praktisch gar keine Veränderung feststellt. Tory hatte von Wissenschaftlern des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts gelesen, die um die halbe Erde gereist waren, nur um die paar Minuten vor Ort zu sein, die eine Sonnenfinsternis dauerte.
    Diese Finsternis war jedoch in keinerlei Hinsicht mit einer normalen zu vergleichen. Die Erde war eine Kugel mit einem Durchmesser von fast 12.800 Kilometern. Das Lichtsegel der Far Horizons durchmaß indes mehr als zwanzigtausend Kilometer. Auf Faslorns Anweisung hatte der Kommandant des phelanischen Sternenschiffs eine leichte Kursänderung vorgenommen, um sein Lichtsegel direkt zwischen der Erde und der Sonne zu positionieren. Weil das Sternenschiff nur sechshunderttausend Kilometer entfernt war — die anderthalbfache Entfernung zwischen Erde und Luna —, passte die Erde ganz in den Schattenkonus des Lichtsegels. Und die Sonnenkorona war auch nicht sichtbar wie bei einer natürlichen Sonnenfinsternis. Die Far Horizons hatte die Sonne am Himmel ausgeblendet, sodass Nacht auch über die Tagseite des Planeten fiel.
    Als der Schatten des Lichtsegels die Erde berührte, richtete der Kommandant der Far Horizons das Segel neu aus, um die Orbitalgeschwindigkeit seines Schiffs an die der Erde anzugleichen. Die Sonne wäre für über eine Stunde ausgeblendet, bis die Orbitalmechanik das Segel aus seiner Position zwang. Den verängstigten Milliarden von Erdbewohnern würde diese Stunde wie eine Ewigkeit erscheinen.
    Der Reaktion der im Saal Anwesenden nach zu urteilen hatte die Sonnenfinsternis genau den Effekt, den Tory und die Phelaner sich erhofft hatten. Keine hundert Meter von ihr entfernt weinte ein grauhaariger Ratsveteran wie ein Baby und starrte mit offenem Mund nach oben. Uberall hielten Paare sich Trost spendend fest. Es war kalt in der Kammer geworden. Tory war sich im ersten Moment nicht sicher, ob das nur ein psychologischer Effekt oder real war.
    Sie aktivierte ihr Implantat und schaltete auf die Nachrichtenkanäle. Dort war auch der Teufel los. Korrespondenten flennten hemmungslos, als sie vermeldeten, dass Dunkelheit sich über den Planeten gelegt hatte. Nur die Reporter, die von der Hemisphäre berichteten, die turnusmäßig sowieso im Dunklen lag, schienen noch ruhig und gelassen. Dennoch griff die Panik auf der Tagseite nun auch auf die Nachtseite über, als immer mehr Leute sich fragten, was überhaupt los war.
    Tory rief die Ansichten verschiedener Verkehrsleitkameras in der ganzen Stadt auf. Uberall strömten Leute auf die Straßen und versammelten sich unter den Lampen, die beim Einbruch der Dunkelheit automatisch angegangen waren. Als sie den Blick über die Stadt schweifen ließ, entdeckte sie einen Park, wo es nur wenige und zudem weit verstreute Lampen gab. Aber auch hier sammelten sich immer mehr Menschen, und eine große Menge schürte ein kürzlich angezündetes Feuer.
    Dann warf Tory einen Blick nach oben durch die Kuppel. Jemand hatte sie auf volle Transparenz geschaltet, sodass die Anwesenden in der Halle einen freien Blick auf die Sterne am Himmel hatten. Sie peilte die ungefähre Position der Sonne an und schielte auf diese Stelle in der Dunkelheit. Nein, die Finsternis war nicht total. Sie erkannte eine trübe Gruppierung von Sternen, die wie die Plejaden von der Warte des Mars aussahen. Diese

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