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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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dieses eine Mal, zum letzten Mal. Wirst du es annehmen?«
    »Wenn ich es annehme, wirst du dann Bellos heilen?«
    »Ich werde Bellos so oder so heilen. Denn wenn du kommst, um deine drei langen Nächte in der Einsamkeit zu erleben, musst du freiwillig kommen, nicht unter Zwang. Du musst wissen, dass du damit ein Tor durchschreitest, hinter dem genauso viele Gefahren lauern wie hinter all den anderen Toren, die du stets dann passiert hast, wenn du deinen Kavallerieflügel in eine weitere Schlacht führtest. Du musst wissen, dass die Verpflichtung, die du damit eingehst, eine allumfassende ist, dass jeglicher Fehler den Tod bedeutet, und zwar nicht nur den Tod deines Körpers, sondern auch den deiner Seele, und dass noch nicht einmal ich, der ich der Vorsitzende des Ältestenrats von Mona bin, dich davor beschützen kann. Wenn du nun und im vollen Bewusstsein all dessen, was damit einhergeht, immer noch jenes Recht für dich in Anspruch nehmen möchtest, das dir bereits von Geburt an zusteht, dann werde ich es dich lehren, egal, wie sehr die anderen Bewohner meines Hauses mich dafür auch hassen werden. Hast du aber nicht den Mut dazu, so werde ich dennoch all mein Wissen aufbieten, um Bellos zu heilen, und du bist frei.«
    Valerius blickte am Vorsitzenden des Ältestenrats von Mona vorbei und zu dem weißen Mond hinauf, der zwischenzeitlich noch ein Stückchen höher am Himmel emporgestiegen war. Noch hatte sich auf dessen Oberfläche nicht der Hase Nemains niedergelassen, und mit dem Gruß, den Valerius dem Mond daraufhin entbot - ganz so, wie seine Mutter es ihn einst gelehrt hatte -, erkannte er dies dankend an.
    Aus den Augenwinkeln sah er, wie langsam eine Anspannung von mac Calma wich, die Valerius zuvor noch gar nicht an ihm bemerkt hatte. Sanft erklärte jener Mann, der behauptete, sein Vater zu sein: »Wenn du gerne noch einen Tag zum Nachdenken haben möchtest, so sollst du den bekommen. Und während du dir die Sache durch den Kopf gehen lässt, kümmere ich mich schon einmal um Bellos.«
    »Danke. Aber auch ein weiterer Tag wird an meiner Entscheidung nichts mehr ändern. Du bietest mir die Möglichkeit, meine langen Nächte der Einsamkeit zu erleben. Ich nehme dein Angebot an.«

XV
     
    »Die wurden nicht für uns errichtet.«
    Graine sprach mit der Überzeugung und Selbstsicherheit einer bereits vereidigten Träumerin, doch niemand hörte sie. Breaca hatte zwar bemerkt, dass ihre Tochter etwas sagte, doch die Worte verschmolzen mit den bedeutungsloseren Geräuschen des Morgens: dem allmählich wieder ruhiger gehenden Atem von Breacas Stute und dem Knirschen von Ledergeschirr, als Breaca oben auf der Hügelkuppe anhielt und zu plötzlicher Reglosigkeit erstarrte; dem Klirren der Kettenpanzer der noch immer den Abhang hinter ihnen heraufreitenden Eskorte der Hilfstruppe; dem etwas weiter entfernten, ganz ähnlichen Klirren, das von der Zenturie von Legionären ausging, welche gerade in exakter Formation unter dem Triumphbogen von Camulodunum hindurchschritt und auf das unter Breaca liegende offene Feld marschierte; und dem aus weiter Ferne ertönenden heiseren Ruf einer einzelnen Krähe, von einem Ort, wo eigentlich Wald hätte sein sollen und wo doch nur noch kahle Erde war.
    All dies nahm Breaca sehr wohl wahr, aber nichts davon ergab für sie mehr einen Sinn. Von dem Augenblick an, in dem sie den höchsten Punkt des Hügels erreicht hatten, als Cunomar seine erste erschrockene Verwünschung ausstieß, als Cygfas Kriegsschwur ertönte, von dem Augenblick an hatte Breaca sich mit jeder einzelnen Faser ihres Wesens nurmehr auf die beiden frisch errichteten, eichenen Kreuze konzentriert, welche einsam am nordöstlichen Rand der Stadt standen. Sie waren doppelt so groß wie ein erwachsener Mann und so breit, wie ein Mann lang war, und boten mehr als genug Platz, um daran die Bodicea mit all ihren Kindern aufzuhängen.
    Bleich ragten sie in der Morgensonne auf und warfen winkelförmige Schatten auf den grasbewachsenen Boden, und ihre Aussage war noch eindrucksvoller, noch niederschmetternder als die bereits recht gewandt formulierte Einladung des Gouverneurs. Wir haben euch, ihr gehört uns. Euer Tod, ebenso wie der Zeitpunkt und die Art und Weise eures Sterbens, liegt allein in unseren Händen. Und erwartet vom Kaiser oder von denen, die ihm dienen, besser keine Milde.
    Einen Augenblick lang war es unmöglich, den Blick von den Kreuzen loszureißen und irgendwo anders hinzulenken, unmöglich, auch nur einen

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