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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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gezogen und ihn von den anderen Vasallenkönigen abgehoben, so dass sein Alleinverkaufsrecht der römischen Weine und griechischen Oliven ungebrochen blieb.
    Breaca und die mittlerweile in Schweigen verfallene Graine wurden an seine Seite geführt, und nachdem auch Cunomar und Cygfa sich zu ihnen gesellt hatten, gab Tagos sich hocherfreut, seine Familie endlich einigen Männern vorstellen zu dürfen: dem iberischen Steinmetzmeister, der Claudius’ Tempel sowohl entworfen hatte als auch dessen Errichtung beaufsichtigte; dem bereits kahl werdenden gallischen Weinhändler, der unter den ranghöchsten Beamten der Stadt schon an dritter Stelle kam und der bis zum heutigen Tage bereits ein Hundertstel der gesamten Herstellungskosten des Tempels gespendet hatte; sowie ganz zuletzt, aber dafür am überschwänglichsten dem hoch gewachsenen, weißhaarigen griechischen Arzt, den Tagos entdeckte, als dieser neben den Stufen stand, die zu der mittleren Sitzreihe hinaufführten.
    Der Arzt war einer der wenigen Männer, die von Rom und den Stämmen gleichermaßen geschätzt wurden. Tagos war geradezu stürmisch in seiner Begrüßung. »Theophilus, was für eine Freude! Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr uns bei einer so inoffiziellen Zusammenkunft mit Eurer Anwesenheit beehren würdet.«
    »Ach, nein? Aber wie könnte ich denn fernbleiben und nicht dabei zusehen, wenn einer meiner früheren Patienten sterben muss?« Theophilus erwiderte Tagos’ Lächeln nicht. Sein klarer Blick wie von einem Falken richtete sich allein auf Breaca. »Das muss Eure neue Ehefrau sein. Ich fühle mich sehr geehrt, sie kennen zu lernen. Dürfte ich?«
    Damit verneigte Theophilus sich, wartete die Vollendung der offiziellen Vorstellungsriten jedoch nicht mehr ab, sondern legte, indem er Breacas Hand ergriff, sogleich die Finger um deren Handgelenk. Sie spürte ein forschendes Tasten über die Oberfläche ihrer Gedanken gleiten, nicht unähnlich dem von Airmid oder, in jüngerer Zeit, dem von Graine, sowie eine Art Ziehen an ihrem Zwerchfell, das sich genauso anfühlte wie die erste, federleichte Berührung der Geburtsschmerzen. Doch dann war der trockene Griff um ihre Hand auch schon wieder verschwunden, und der Arzt verbeugte sich abermals.
    »Meine Verehrteste, ich hatte vorgehabt, Euch meine Dienste anzutragen, sollte für Euch jemals wieder die Zeit der Niederkunft kommen, aber wie ich sehe, wird das nicht nötig sein. Meine besten Wünsche für Euch und Eure drei wundervollen Kinder. Sie gereichen sowohl Euch als auch ihrem Vater zur Ehre.« Der Reihe nach nickte er erst Graine zu, dann Cunomar und schließlich Cygfa, und ohne den Austausch von Worten nahmen alle drei plötzlich wieder eine etwas gesündere Gesichtsfarbe an.
    Falls er vorgehabt haben sollte, den König der Eceni niederzuschmettern, so war Theophilus dies wahrlich gelungen. Mit einigen wenigen kurzen Worten waren Tagos’ unberechtigte Hoffnungen auf ein Herrschergeschlecht nicht nur offen gelegt, sondern sogleich der ganzen Welt auch als vollkommen haltlos bewiesen worden. Wie ein Fisch öffnete er den Mund und ließ ihn gleich darauf wieder zuklappen. Er suchte mit dem Blick die Menge ab, versuchte, herauszubekommen, welcher seiner Widersacher womöglich dicht genug in seiner Nähe gestanden hatte, um all dies mit anzuhören. Er konnte jedoch niemanden ausmachen und rief Cunomar und Cygfa zu, dass sie ihm folgen sollten.
    Als Breaca mit Theophilus wieder allein war, ließ sie Graine langsam auf den Boden hinab, bis diese auf ihren eigenen Beinen zu stehen kam, und fragte, einer plötzlichen Eingebung folgend: »Ich habe heute Morgen einen alten Freund wieder getroffen. Er trug einen frischen Kopfverband. Habt Ihr ihm den angelegt?«
    Theophilus’ träges Lächeln schien aus der Leere seines Blicks zu erwachsen. »Das habe ich. Ist er Euch ein wahrer Freund, so dürft Ihr Euch glücklich schätzen.«
    »So scheint es zumindest. Ist er auch ein Freund Eures Patienten, jenes Mannes, der heute sterben soll?« Am Rande von Breacas Bewusstsein tauchten erneut die Kreuze auf. Kein Mann, ganz gleich, ob Römer oder Angehöriger irgendeiner anderen Nation, verdiente einen solchen Tod.
    »Ein Freund des ehemaligen Zenturio Marcellus? Nicht doch. Denn das ist ein Mann, der nur wenige Freunde besitzt, aber dafür umso mehr Feinde hat.«
    »Reicht es also aus, dass er keine Freunde hat, damit man ihn gleich zum Tode verurteilt?«
    »Es scheint, als habe er den Fehler gemacht, einen

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