Die Seherin der Kelten
immer zeigt sich dies in Euren Verbänden, und für jene, die Euch besser kennen, auch in Eurem Gang und der Art, wie Ihr den Kopf haltet, wenn Ihr Euch allein und unbeobachtet wähnt.« Ganz unerwartet drehte der Gouverneur sich nun um, um sich an jemanden auf der Bank hinter ihm zu wenden. »Theophilus? Ist der Präfekt Eurer Meinung nach in der Lage, eine Rolle zu übernehmen, deren Aufgaben denen eines Kampfes in einer Schlacht entsprechen?«
Theophilus war gerade in eine Betrachtung Eneits vertieft gewesen; ruckartig wandte er den Kopf ab. »Ganz und gar nicht.«
»Vielen Dank.« Der Gouverneur erhob sich und schien plötzlich wieder ein jüngerer Mann zu sein, der den heraufziehenden Kampf witterte und sich nur allzu gern mitten hineinstürzen wollte. An Breaca gewandt sagte er: »Eure Götter sind nicht meine Götter, aber sie lebten bereits in diesem Land, lange bevor wir kamen, und auch lange, nachdem wir alle wieder zu Staub und Asche zerfallen sind, werden sie noch hier leben. Wir wollen also unser Bestes geben, um ihnen Ehre zu erweisen. Ich halte mich für durchaus dazu fähig. Gehe ich somit recht in der Annahme, dass Ihr dann die Eceni vertreten möchtet, jenen Stamm, aus dem der Gefangene stammt? Ihr dürft versichert sein, dass Ihr an diesem Ort und in diesem Augenblick meine uneingeschränkte Erlaubnis besitzt, eine Waffe aufzunehmen und zu werfen, die den Stämmen aufgrund ihrer Länge ansonsten verboten ist.«
»Vielen Dank. Und, ja, ich werde mein Volk vertreten.«
Breacas Worte hallten durch das gesamte Theater. Zum Ende des Tages würden sie sich auch bis zu jenen Trinovantern herumgesprochen haben, die gerade nicht anwesend waren, und bis Monatsende sogar die jenseits des Territoriums der Trinovanter lebenden Stämme erreichen. Wollte Breaca also jemals ihren Rang als Kriegerin beweisen, ohne den Namen der Bodicea für sich zu beanspruchen, so hatte sie dies soeben getan.
Verleih ihnen nur Mut, dann wirst du siegen. Sie sprach ein Stoßgebet an die Göttin, dass dies auch tatsächlich so sein möge und dass alles glimpflich verlaufen würde.
Durch die Bankreihen neben dem Gouverneur schien ein leichtes Beben zu verlaufen. Cygfa hatte stellvertretend für die Eceni werfen wollen, hatte diese Bitte allerdings nicht vorbringen können. Breacas Sohn wehrte sich erbittert gegen Tagos, doch dieser presste seine eine Hand fest auf den Mund des Jungen - allein Cunomars Blick schrie Breaca noch in nicht enden wollenden Qualen entgegen. Von ihren drei Kindern bestärkte somit bloß Graine ihre Mutter mit schüchternem Lächeln in deren Entscheidung.
Vom hinteren Bereich der Bühne ertönte heiser die Stimme des zwischenzeitlich vollkommen in Vergessenheit geratenen Eneit: »Danke.«
Der Halbkreis zwischen den Sitzreihen und der Bühne bot dem Gouverneur ausreichend Platz, um vom einen Ende des Halbrunds aus dreißig Schritte zurück in Richtung der Vorplatzmitte schreiten zu können, wo er mit dem Absatz seines Stiefels eine Linie in den Sand zog. Einige neue, mit einem knappen Nicken herbeigerufene Wachen wiesen das Publikum im östlichen Teil des Theaters an, seine Plätze zu verlassen, damit nicht einer der drei Speere, für den Fall, dass er vielleicht zu hoch fliegen sollte oder seine Flugbahn ein wenig zur Seite abwich, das Blut eines Zuschauers kostete.
Währenddessen nahm man Eneit die Fesseln ab, und die Offiziere der Leibgarde führten ihn zu dem ihm zugedachten Platz. Breaca folgte ihnen, hielt sich aber im Hintergrund, bis die Männer sich wieder von Eneit entfernten. Sie war jedoch keine Träumerin und besaß nur noch lückenhafte Erinnerungen an die Riten. Wie gerne hätte sie jetzt Airmid nach den genaueren Einzelheiten gefragt - doch diese war, selbst wenn man schnell ritt, noch immer eine halbe Tagesreise von hier entfernt - oder auch Graine, die aber bei Cunomar zu bleiben hatte und damit ebenso unerreichbar war.
Vertrau den Göttern und dir selbst. Du wirst wissen, was richtig ist . Zu beten wiederum vermochte Breaca immerhin. Also betete sie und spürte sogleich den Atem Brigas gleich einem Hauch auf ihrem Hals. Während sie in Gedanken noch immer dem Klang der drei Namen ihrer Göttin nachhing, beobachtete sie die Wachen, bis diese sich außer Hörweite entfernt hatten - und sah, wie jeder Einzelne von ihnen, als er sich von ihr zurückzog, das römische Zeichen zur Abwehr alles Bösen machte. Breaca freute sich.
Und Eneit konnte ohne fremde Hilfe stehen, was schon
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