Die Seherin der Kelten
bellendes Lachen aus. Er fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, so dass sein sorgfältig um die Stirn geschlungenes Birkenrindenband verrutschte, dann zog er es wieder zurecht und kniff sich in die Nase.
Nach einer Weile sagte er, mittlerweile schon ein wenig verzweifelt: »Du bist ein Träumer, seit du sieben Jahre alt warst. Allein durch deine Vision hast du Hail wieder zum Leben erweckt. Allein durch die Kraft deines Verlangens hast du die rotbraune thessalische Stute über einen sturmgepeitschten Ozean herbeigerufen. Du hast damals Amminios erblickt und in einem Wachtraum die genaue Art seines späteren Verrats benannt, und das lange bevor irgendeiner von uns etwas anderes in ihm sah als den Sohn eines Kriegers. Weißt du denn wirklich nicht, was du bist?«
Der Hase auf dem Mond kam näher, wollte sich aber nicht einfangen lassen. Zu verwirrt und verblüfft, um einen klaren Gedanken fassen zu können, entgegnete Valerius: »Aber ich weiß doch überhaupt nicht, wie ich das mache. Ich weiß auch nicht, wie du das machst.«
»Aber du möchtest es lernen?«
Nun weinte Valerius, doch es kümmerte ihn nicht. Nemain hielt ihn und schenkte ihm neue Kraft und Zuversicht. »Bei allen Göttern, ja! Ja, das möchte ich, koste es, was es wolle! Vor allen anderen Dingen möchte ich lernen, so zu sein wie du.«
Mac Calma lächelte und wirkte plötzlich um zehn Jahre jünger. Er erhob sich und legte sich seinen Umhang wieder um die Schultern. »Gut. Sehr gut. In diesem Fall, denke ich, kann ich dich unterrichten. Vorher solltest du aber noch deinen Frieden mit Bellos und Mithras machen, so wie du es ja ohnehin bereits geplant hattest. Ich werde so lange auf Mona auf dich warten.« Er wandte sich dem Fluss zu, drehte sich dann aber noch einmal kurz zu Valerius um.
»Ich glaube, wenn du dich darauf konzentrierst, den Hund aus der Grabkammer zu rufen, dann wirst du womöglich feststellen, dass er kommt.«
IXX
DEM ANDENKEN AN QUINTUS VERANIUS GEWEIHT,
VIERTER GOUVERNEUR VON BRITANNIEN,
ERSTER GOUVERNEUR VON LYKIEN UND
PAMPHYLIEN …
Auf den Tag genau ein Jahr, nachdem er einem jungen Krieger der Eceni einen mit einer silbernen Spitze bewehrten Reiher-Speer ins Herz gestoßen hatte, wurde ein Denkmal für den inzwischen verstorbenen Gouverneur von Britannien enthüllt, und dieses Denkmal war gleich draußen vor der Siedlung seines Freundes und loyalen Verbündeten, Prasutagos, König der Eceni, postiert worden.
Wie sein Pendant, das in die Wand des Theaters in Camulodunum eingelassen war, so bestand auch dieses Ehrenmal aus grauem, fast schon ins Silberne spielendem Marmor und war so glänzend poliert, dass man sich darin spiegeln konnte. Anders als sein Gegenstück stand dieses hier jedoch für sich allein, und zwar auf einer Seite des Karrenpfades, genau an der Stelle, wo der Pfad die Siedlung verließ. Von der Größe eines ausgewachsenen Mannes und halb so breit, war der Gedenkstein von dem iberischen Steinmetz, der ihn gefertigt und geliefert hatte, so platziert worden, dass die aufgehende Sonne klar umrissene Schatten über ihn und auf den Fahrweg werfen konnte. Mit kantigen, scharf hervortretenden Lettern war die Lebensgeschichte des Quintus Veranius in die Oberfläche der Tafel eingemeißelt.
... SPEKTAKULÄRER SIEG ÜBER DIE BERGSTÄMME
LÄSST AUS CHAOS UND ZERSTÖRUNG
FRIEDEN ERWACHSEN.
AUGUR UND KONSUL IM JAHRE …
Dichter Nebel wogte über den Stein hinweg und daran vorbei, so schwer wie Wasser. Die Enthüllungszeremonie war um einen Tag verschoben worden, in der Hoffnung, dass das Wetter in der Zwischenzeit vielleicht ein wenig heiterer werden würde. Stattdessen hatten die Götter die Luft aber nur noch trüber gemacht und Schwaden von wirbelndem Nebel geschickt, die alles einhüllten und verbargen, so dass Breaca, die schräg vor dem Monument stand, beinahe in einer Welt für sich eingeschlossen war, einer Welt, die sie lediglich mit dem auf ihrer Linken stehenden Arzt Theophilus teilte und auf ihrer Rechten mit Decianus Catus, dem schmächtigen, gelangweilten, arroganten und überaus gefährlichen Prokurator und Oberverwalter der kaiserlichen Einkünfte.
Die beiden waren das Beste und das Übelste, was Rom aufzubieten hatte. Theophilus hatte den Frühling und Frühsommer im Anschluss an die Speerwurf-Entscheidung damit zugebracht, sich um den im Sterben liegenden Gouverneur zu kümmern, hatte dann gegen Ende des Sommers aber endlich die Zeit und die Möglichkeit gehabt, Breacas Angebot anzunehmen,
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