Die Seherin der Kelten
und daraufhin fast drei Monate in den Ländern der Eceni verbracht, wo er und Airmid Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Heilkunst ausgetauscht hatten. Noch ein weiteres halbes Jahr und Airmid hätte Theophilus zum Träumer ernennen können, und es hätte niemanden gegeben, der Theophilus als dieses Titels nicht würdig bezeichnet hätte.
Der Prokurator dagegen war gefährlicher Abschaum: ein Schmarotzer und Blutsauger an den Lebensadern der Stämme. Wenn du den Osten nicht wachrüttelst und zum Kämpfen bewegst, so hatte der Geist eines Toten Breaca verkündet, dann wird Rom dein Volk bis zum letzten Tropfen Blut auspressen. Daraufhin hatte Breaca den vergangenen Winter damit verbracht, Speerspitzen und Messerklingen anzufertigen; den Sommer davor war sie damit beschäftigt gewesen, in aller Stille und Sorgfalt nach jenen Kriegern zu suchen, denen sie ihr Leben und ihre Pläne für einen zukünftigen Krieg anvertrauen könnte. Eine Armee hatte sie allerdings noch nicht aufgestellt. Und solange es daran fehlte, würde der Prokurator weiterhin sein Bestes geben, um die Eceni und sämtliche östlichen Stämme bis zum letzten Blutstropfen zu schröpfen.
Und mehr noch: In der fortwährenden Abwesenheit des Gouverneurs und Kommandanten über die Streitkräfte im Westen war der Prokurator zudem auch noch der mächtigste der Diener des Kaisers in der Provinz Britannien. Bis Breaca eine genügend große Anzahl von Kriegern aufgestellt hatte, um den Legionen entgegentreten zu können, konnte sie also erst einmal nichts anderes tun, als dem Prokurator Gastrechte anzubieten und Tagos Steuerermäßigungen solcher Art aushandeln zu lassen, wie man sie einem Mann, der alles taxierte und auf alles minutiös veranschlagte Abgaben in Gold erhob, nur irgend abringen konnte.
Und Tagos hatte wahrlich sein Bestes gegeben. Hinten im Nebel warteten die achtzig Söldnerveteranen aus dem persönlichen Gefolge des Prokurators. Sie bewachten jetzt dessen Lastkarren, auf denen sich, fest verschnürt und doppelt mit Wachs und geschmolzenem Blei versiegelt, die Beutel mit Goldmünzen befanden, die Tagos aus seinen Geldtruhen genommen hatte und die dazu bestimmt waren, die Schatzkammer des Kaisers zu füllen - abzüglich einer angemessenen Provision für den Prokurator.
Die Wagen enthielten weder die beträchtliche Menge an Fellen und Häuten, die eigentlich gefordert worden war, noch hatte der Prokurator bei seiner Steuerveranschlagung den Wert der drei Zuchthengste auf den in Nebel gehüllten Koppeln hinter dem Gehöft mit einkalkuliert oder die der Herden von Zuchtstuten, die zu jedem der Hengste gehörten. Er war auch nicht bis zu Breacas Schmiedewerkstatt vorgedrungen oder zu dem neu erbauten Schuppen dahinter, der ein Roheisenlager beherbergte und außerdem die Bündel von Speerspitzen und Messerklingen, die sie im Laufe des Winters geschmiedet hatte.
Für diese Dinge und für die Atempause, die sie ihnen verschafften, war Breaca von Herzen dankbar.
Immer noch dichter senkte sich der Nebel auf sie herab. Schwarz unterlegte, in Stein gemeißelte Buchstaben hoben sich von der Oberfläche der Marmortafel ab und schlängelten sich in den Tag hinaus.
... SENATOR UND HOCH GESCHÄTZTER RATGEBER
DES KAISERS CLAUDIUS.
MÖGE ER FÜR IMMER IM SCHOSSE
DER GÖTTER RUHEN …
Falls der Gouverneur nun tatsächlich im Schoße der Götter ruhte, so hatten sie sich allerdings reichlich Zeit damit gelassen, ihn zu sich zu holen. Sein Ende hatte sich nämlich über volle vier Monate hingezogen und war in jeder Beziehung genauso qualvoll gewesen wie der Tod Scapulas, des Gouverneurs, der damals auf Airmids Bitte hin von der Träumerin der Ahnen niedergestreckt worden war.
Der Anfang war heimtückisch schleichend gewesen. Mit dem letzten Tag des alten Mondes nach Eneits Tod hatte Breaca begonnen Nacht für Nacht wach zu liegen und darauf zu horchen, wie die Winde der Götter gen Süden nach Camulodunum brausten, um sich dort von demjenigen, der die Probe der Ahnen nicht bestanden hatte, zu nehmen, was ihnen zustand. Doch sie nahmen nicht Breacas Seele, und es war auch nicht ihr Körper, den sie mit Schmerzen marterten - sondern der des Gouverneurs -, und diese Tatsache bestätigte Breaca in ihrer Überzeugung, dass es ihr Speer gewesen war, der Eneit getötet hatte, und nicht der des römischen Generals.
Somit war die eine ihrer beiden drängenden Fragen zumindest schon mal beantwortet - wer von uns hat Eneit getötet? Breacas zweite Frage - wo ist
Weitere Kostenlose Bücher