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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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jedes, das er jemals in seinem Leben bekommen hatte, und es schien unmöglich, dass es ihm je wieder genommen werden könnte.
    Schließlich, als das Flüstern verstummte und nichts anderes mehr zurückblieb als die hauchzarte Berührung des Mondlichts und eine flüchtige Erinnerung an Wasser, erhob Valerius sich, löschte sein Feuer, vergrub die Holzreste und die Asche und bedeckte die Stelle mit Grassoden, so dass von seinem Aufenthalt am Fluss keine Spur mehr zu erkennen war.
    Er lag gerade auf den Knien und streute welke Blätter auf die Schnittlinien der Grassoden, als von irgendwo hinter seiner linken Schulter plötzlich Luain mac Calma fragte: »Wo willst du hin?«
    Es kam nicht unerwartet, nur später, als Valerius eigentlich angenommen hatte. Noch immer kniend antwortete er: »Ich hatte eigentlich vor, nach Mona zu gehen, um Bellos zu finden und mit ihm über seine Zukunft als Blinder im Land der Sehenden zu sprechen. Mit der richtigen Ausbildung, so glaube ich, könnte vielleicht noch immer ein guter Heiler aus ihm werden. Und danach, so habe ich mir überlegt, könnte ich, sobald die Schifffahrtswege wieder frei sind, nach Britannien hinübersegeln. Mithras ist mir dort einmal erschienen, in einer Höhle. Falls ich am Leben bleibe, muss ich meinen Frieden mit ihm machen.«
    »Wirst du denn am Leben bleiben?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    Die Morgenluft war beißend scharf vor Kälte; die ersten Spuren des Frosts zeigten sich in Form von Raureif auf den Eichenblättern hinter mac Calma, wodurch sein Haar im Kontrast zu der pelzig weißen Schicht noch schwärzer als sonst erschien. Sein Gesicht schwebte gleichsam in der Mitte zwischen der Sonne und dem Mond, wurde jedoch von keinem der beiden Himmelskörper richtig erhellt. Zum ersten Mal seit neun Monaten trug er wieder das Birkenrindenband der Träumer um die Stirn, und die Schneide des Messers in seinem Gürtel hatte eine gebogene Spitze, so dass sich die Klinge auch zum Abhäuten eignete.
    Valerius war unbewaffnet; schon seit ihrer beider Ankunft in Irland hatte er keine Waffe mehr getragen. Als er sich nun aufrichtete, fühlte er sich also noch nackter und schutzloser als in dem Augenblick, in dem er in den Fluss hineingewatet war. Er spürte, wie ihn unter der rauen Tunika eine Gänsehaut überlief. Nemain hatte ihm weder ein langes Leben versprochen, noch dass er keinen Schmerz erleiden würde. Das kam ihm in diesem Moment wieder mit jäher Deutlichkeit zum Bewusstsein.
    Er ließ seine Zunge über den Rand seiner Zähne gleiten. »Was ist denn nun die Strafe für einen Mann, der seine drei langen Nächte in der Einsamkeit abbricht und aufgibt?«
    Mac Calma wog sein Messer in der flachen Hand. »Der Tod natürlich. Diejenigen, die sich nicht selbst die Kehle durchschneiden oder sich Nemains Fluten ausliefern, werden rasch und ohne viel Federlesens von demjenigen getötet, der während der gesamten Prüfung Wache hält. Für zusätzliche Vergeltungsmaßnahmen besteht keine Notwendigkeit. Das Scheitern allein ist im Grunde schon Strafe genug.«
    »Allerdings.« Mac Calma war also doch die ganze Zeit über zugegen gewesen. Valerius bereute es im Nachhinein, nicht gründlicher nach ihm gesucht zu haben. »Ich habe aber kein eigenes Messer, mit dem ich mir die Kehle durchschneiden könnte«, sagte er.
    »Ich weiß. Und der Fluss hat dich auch nicht genommen, obwohl du dich der Göttin voll und ganz ausgeliefert hattest. Was also sagt dir das?«
    »Dass der Mann, der behauptet, mein Vater zu sein, es vorzieht, zu beobachten und zuzuschauen, ohne sich bemerkbar zu machen.« Valerius spuckte auf den Boden, so wie es die Legionssoldaten taten, und zwar ziemlich geräuschvoll und mit jeder Menge Schleim. »Wir sollten jetzt besser tun, was getan werden muss. Ich glaube nicht, dass es noch irgendetwas zu sagen gibt, was nicht schon in den vergangenen neun Monaten gesagt worden wäre. Wenn du mir dein Messer gibst, werde ich es selbst tun, damit du nicht mit meinem Blut besudelt wirst.«
    »Wirst du dich in die Klinge stürzen, so wie es bei den Römern üblich ist? Willst du denn so unbedingt sterben?«
    »Ich will überhaupt nicht sterben. Ich glaube nämlich, die Göttin hat mich gerade zu leben gelehrt, und ich würde es begrüßen, wenn ich die Chance zu leben wahrnehmen könnte. Wenn es aber so ist, dass ich keine andere Wahl habe, möchte ich lieber sauber sterben, von eigener Hand, statt durch die falsche Fürsorge eines anderen Mannes.«
    »Valerius, du

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