Die Seherin der Kelten
schimmernden Pilzen gesäumt war, roch Breaca plötzlich Blut und hörte den röchelnd verlöschenden Atem eines tödlich Getroffenen. Allein die bei tausend vorangegangenen Jagden dieser Art gewonnene Weitsicht und Erfahrung veranlassten Breaca, sich von dem flüchtigen Aufblitzen von Eisen abzuwenden, das Cunomars Tod hätte sein können oder aber auch der Tod seines Gegners. Stattdessen trat sie dem fremden Krieger, der sie anderenfalls niedergemetzelt hätte, mitten in den Weg und konnte sich somit gerade noch rechtzeitig ducken und dem tödlichen Hieb mit einem raschen Sprung zur Seite ausweichen - und ihren eigenen Hieb gegen ihn führen. Dennoch schnitt seine Klinge ein halbmondförmiges Stück Fleisch aus ihrer Schulter, und zwar in der Nähe der Narben, die die alte, einst so heftig eiternde Speerwunde hinterlassen hatte. Ihre Klinge dagegen traf ihn auf äußerst schmerzhafte Weise an der Wange und grub sich in sein Auge.
Er war ein ausgezeichneter Kämpfer. Ein Geringerer hätte laut aufgeschrien, dem Schmerz nachgegeben und auf diese Weise sein Leben eingebüßt. Dieser Krieger dagegen verlagerte sein Messer in die linke Hand und umkreiste Breaca lauernd, obwohl das Blut in Strömen über seine rechte Gesichtshälfte rann.
Laut - denn es kam nun nicht mehr darauf an, still zu sein - sagte Breaca: »Wenn Krieger wie wir gemeinsam kämpfen würden und nicht gegeneinander, wäre Rom schon längst aus unserem Land verbannt worden.«
Er lachte sie aus, völlig außer Atem. »Sie sind einfach zu viele... Rom wird siegen, und wir werden ihre Verbündeten sein... besser das, denn als Feind bezwungen zu werden.«
Die Steine am Rand der Lichtung verbargen eine kleine Quelle. Breaca trieb ihren Gegner auf diese Quelle zu, nutzte dabei den Vorteil von zwei Augen gegenüber bloß einem aus. Als der Coritani auf einen der Steine trat und das Gleichgewicht verlor, tötete sie ihn, indem sie sich blitzschnell unter seiner Messerhand hindurchduckte und ihm ihre Klinge in die Brust stieß. Er starb unter einem heftigen Erstickungsanfall, während er sich an seinem eigenen Blut verschluckte.
Cunomar war gegen einen Baum zurückgedrängt worden und hatte diverse blutende Schnittwunden auf der Brust. Auf einem Pfad, der von der Lichtung wegführte, sah er sich gleich zwei Gegnern auf einmal gegenüber: dem Ranghöchsten der Sklavenverkäufer mit den Echsenzeichen auf beiden Unterarmen und einem anderen, älteren und weniger auffällig markierten Krieger, der sein Haar zu einem Knoten auf dem Hinterkopf aufgetürmt trug und mit Greifvogelfedern geschmückt hatte.
Der Ältere war der Klügere. Als er hörte, wie Breacas Widersacher tödlich getroffen zusammenbrach, drehte er sich blitzschnell um und stellte sich mit dem Rücken zu seinem Kampfgefährten auf, so dass auch diese beiden zu einer Einheit zusammengeschweißt wurden.
Lautlos wich Breaca wieder in die Dunkelheit zurück. Im Licht des Mondes sah sie ihren Sohn, wie er sich gegen die glatte Rinde einer Ulme stemmte und sein Messer stoßbereit vor sich hielt, sah seine angespannte Miene und den Ausdruck seiner Augen, die verrieten, dass er auch jetzt, im Angesicht des Todes, noch ebenso konzentriert war, wie er es in den ersten Augenblicken der Jagd gewesen war. Die Ältesten der Kaledonier hatten ihn gut geschult. Und doch hatten sie nicht - so wie die Bodicea - fünf Jahre lang allein innerhalb der feindlichen Linien gejagt, wo zum Überleben noch einiges mehr dazu gehört hatte als die Fähigkeit, dem Tod furchtlos ins Auge zu blicken.
Um hier und jetzt am Leben zu bleiben, um es auch und vor allem ihrem Sohn zu ermöglichen, am Leben zu bleiben, waren also absolute Ruhe, eiserne Selbstbeherrschung, unerschütterliche Nerven und lebenslange Erfahrung im Umgang mit Menschen erforderlich.
Jeder Mensch spürt es irgendwann instinktiv, wenn die Augen anderer auf ihm ruhen. Ein Krieger, der mit einem Angriff rechnet, spürt es jedoch am ehesten und am verlässlichsten. Folglich beobachtete Breaca nicht den älteren der beiden Krieger, den mit der kräftigen Nase und den hohen Wangenknochen und den Greifvogelfedern im Haar, sondern achtete ausschließlich und überaus wachsam auf seinen Gefährten, der sich Cunomars Messer gegenübersah und der seine Aufmerksamkeit nicht von der Waffe abwenden konnte, ohne den Tod zu riskieren.
Ein Weißdorndickicht kratzte sie im Rücken. Über ihr tropfte es von Ästen herab, die noch nass vom letzten Regen waren. Dichtes
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